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1941 1942 Biografisches Brief

Thomas Mann setzt sich für Mehring und Kollegen ein

An Louis B. Mayer                                                                               Pacific Palisades, California
740 Amalfi Drive
[Oktober 1941]

Dear Mr. Mayer:
Es ist nicht meine Gewohnheit, mich in Angelegenheiten einzumischen, die mich nicht unmittelbar angehen; dennoch möchte ich mir die Freiheit nehmen, Ihnen eine Sache, die mir am Herzen liegt, und mir, wie vielen anderen wohlwollenden Leuten Sorge macht, vertrauensvoll vorzutragen.
Es war eines cler schönsten und verdienstlichsten Vorkommnisse während der letzten turbulenten und so viel Leben und Glück zerstörenden Jahre, ein Vorkommnis, das gewiß niemals vergessen werden wircl, wenn man die phantastische Geschichte der Auswanderung cler europäischen Kultur erzählt, daß zwei große Filmgesellschaften in  Hollywood sich entschlossen, einer Reihe von deutschen und österreichischen Schriftstellern Notverträge zu geben, die diese Männer nicht nur in den Stand setzten, in die Vereinigten Staaten einzuwandern, sondern ihnen auch, wenigstens für eine gewisse Frist, die Grundlage ihrer Existenz sicherten. Der Übersichtlichkeit wegen setze ich Ihnen hier die Namen der fünf Autoren auf, deren sich M.G. M. in so generöser Weise angenommen hat, und füge die Anfangs- und Enddaten ihrer Verträge hinzu.

Alfred Döblin 8. Oktober 1940 – 7. Oktober 1941
Alfred Polgar 24. Oktober 1940 – 23. Oktober 1941
Hans Lustig 10. Dezember 1940 ~ 9. Dezember 1941
Wilhelm Speyer 1o. März 1940 – 9. März 1942
Walter Mehring 5. April 1941 ~ 4. April 1942

Vielleicht darf man sagen, daß der Vorteil des Abkommens zwischen M.G.M. und diesen Schriftstellern nicht ganz allein auf Seiten der Letzteren war. Tatsächlich kann man nicht nur von einem gewissen ideologischen Gewinn sprechen, den die Firma dadurch hatte, daß sie diese angesehenen europäischen Namen mit dem ihren verband, sondern auch rein praktisch ist zum Mindesten in mehreren Fällen ein entschiedener Nutzen für die Studios der M. G. M. zu buchen.
Man versichert mir. daß zum Beispiel. Hans Lustig sich als ein wirklich wertvoller Writer erwiesen hat, und ich weiß, daß Gottfried Reinhardt und Sam Berman Alfred Polgar sehr warm empfehlen und zwar auf Grund seiner besonderen dialogischen Begabung, die er speziell bei der Mitarbeit am letzten Garbo-Film bewährte.
Was Döblin betrifft, so hat cr soeben eine story eingereicht, die bei Mr. Keneth McKenna großes Gefallen gefunden hat. Es ist Döblin ein American „Junior“ Writer zur Seite  gegeben worden, um seine story zu entwickeln. Auch in diesem Fall also hat sich bereits der Wert des Engagements für die Firma erwiesen.
Ich erwähne diese Dinge, die Sie wahrscheinlich so gut wissen wie ich, nur, um dem Vorwurf zuvorzukomınen, der der Firma gemacht werden könnte, wenn Sie den Kontrakt mit den Refugee-Schriftstellern erneuerte: daß nämlich fruchtloses Geld nur zu humanitären Zwecken ausgegeben werde. Und damit habe ich den Wunsch und die Bitte ausgesprochen, die mich und nicht nur mich allein bewegen. Die Zukunft dieser Männer, die in Europa sich durch ihre Schriften Ansehen und Lebensunterhalt erworben haben, macht uns Sorge, und meine, unsere Bitte an Sie, dear Mr. Mayer, geht dahin, Sie möchten das ausschlaggebende Gewicht Ihres Einflusses in die Wagschale werfen, um ein Engagement der genannten Schriftsteller für ein weiteres Jahr zu bewirken. In diesem Jahr kann sich viel ändern, und aus dem Wechsel der politischen Lage können sich neue Wirkungs- und Verdienstmöglichkeiten für die Refugees ergeben. Wenn M.G.M. bis dahin die Verbindung mit ihnen aufrecht erhält, so wäre das zweifellos von jedem Gesichtspunkt aus und vor jeder Kritik zu rechtfertigen. Denn erstens ist mit Bestimmtheit zu hoffen, daß auch Schriftsteller wie Speyer und Mehring sich mit der Zeit dem Studio wertvoll zu machen wissen werden, und zweitens scheint mir keine Frage, daß das Gehalt für einen Mitarbeiter wie Hans Lustig, wenn er nicht auf einen Refugee-Vertrag gekommen wäre, sich so viel höher belaufen würde, als es tatsächlich ist, daß er für mehrere Kollegen mitaufkommt.
Ich möchte noch etwas erwähnen. Zeitweise hörte man, daß die Screen Writers Guild dem Engagement der ausländischen Autoren opposed sei. Dies hat sich als ein vollkommener Irrtum erwiesen. Mir liegt ein Schreiben des Mr. Sheridan Gibney vor, in dem er ausspricht, daß »our organization is open to Writers of all nationalities who seek employment in the motion picture industry. We welcome new talent which scrves to enrich the industry and would consider it highly improper if the Guild should discourage the employment of any of its members for other than lawful or contractual reasons.«
Lassen Sie mich zusaniınenfassen: durch Ihr Eintreten für ein Wiederengagement der Refugee Writer würden Sie Männern einen unschätzbaren Dienst leisten, die im Kulturleben unserer Zeit eine ehrenvolle Rolle gespielt haben und mutmaßlich wieder werden spielen können, wenn man ihnen über diese kritische Zeit hinweghilft, und ich würde den Entschluß dazu sowohl für menschlich schön und dankenswert, als auch für klug halten. Denn das Wenigste, was man sagen kann, ist, daß er der Gesellschaft nicht zum Schaden gereichen würde.
Verzeihen Sie mir den Freimut dieser Worte, aber ich hielt es für meine Pflicht, für diese gefährdeten Kollegen mich einzusetzen und sie Ihrem weitbekannten Wohlwollen zu empfehlen.
Ihr sehr ergebener
Thomas Mann

Ich wäre jederzeit bereit Sie zusanımcn mit Mrs. Dieterle, die sich dieser Sache annimmt , aufzusuchen, wenn Ihnen an einer mündlichen Besprechung gelegen ist.

(Thomas Mann: Briefe 1937 – 1947; Frankfurt (Main): S. Fischer 1963, S.211 ff.)

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1941 Biografisches Brief

Thomas Mann setzt sich für Mehring und andere ein

Thomas Mann hat sich im amerikanischen Exil sehr für verfolgte Schriftsteller eingesetzt. Er war maßgeblich bei der Rettungsaktion des Emergency Rescue Committee beteiligt. Er kümmerte sich auch um Anstellungen von Schriftstellern wie Walter Mehring bei den großen Hollywood-Studios. Diese sicherten zwar für ein Jahr ein Einkommen, waren aber meist sehr frustrierend, das die Studios an der Arbeit der einst erfolgreichen Autoren kein wirkliches Interesse hatten. Im Oktober 1941 schreibt Thomas Mann an Louis B. Mayer in dieser Angelegenheit:

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1938 1962 1990 Biografisches Brief Zeitschriften

Hans Sahl erinnert sich an den Antikommunisten Walter Mehring

1990, einen Monat nach der Wiedervereinigung, hat Hans Sahl (20. Mai 1902 – 27. April 1993) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen langen Text über die Lage der Intellektuellen in Deutschland geschrieben. Darin erinnert er an die Spaltung der Exilschriftsteller durch die Kommunistische Partei. In ihm zitiert er auch einen Brief Walter Mehrings an ihn aus dem Jahr 1962. Hans Sahl machte sich im Berlin der späten 1920er und frühen 1930er Jahre einen Namen als Kritiker. Im Exil gründete er auch mit Walter Mehring aus Protest gegen die Ausgrenzung Leopold Schwarzschilds den Bund Freie Presse und Literatur.

„Zu fragen wäre jedoch: Wer befragt die Befrager? Hatte man nicht, nach 1945, in der Bundesrepublik alle Hände voll zu tun, sich mit Hitler auseinanderzusetzen, und mußte deshalb die Auseinandersetzung mit Stalin bis auf weiteres verschieben? Man knüpfte also dort wieder an, wo man 1933 aufgehört hatte, ohne sonderlich davon Kenntnis zu nehmen, daß es inzwischen Autoren wie Ignacio Silone, George Orwell, Czeslaw Milosz, Arthur Koestler und andere gegeben hatte, die sich darum bemühten, eine Literatur der Auseinandersetzung mit dem Stalinismus zu entwickeln.

ln diesem Zusammenhang sollte auch die 1938 erfolgte Revolte gegen den von Moskau manipulierten Schutzverband deutscher Schriftsteller im Exil in Paris erwähnt werden, die dazu führte, daß namhafte Autoren, unter ihnen Alfred Döblin, Bruno Frank, Leonhard Frank, Konrad Heiden, Hermann Kesten, Klaus Mann, Walter Mehring, Ernst Erich Noth, Karl Otten, Joseph Roth, Hans Sahl, Leopold Schwarzschild, sich zu einem ››Bund freie Presse und Literatur« (Verband unabhängiger deutscher Schriftsteller und Journalisten im Exil) zusammenschlossen, der mit folgendem Gründungsaufruf an die Öffentlichkeit trat:

Deutsche Schriftsteller und journalisten im Exil, in deren Vollmacht die Unterzeichneten sprechen, haben sich zu einem Bunde zusammengeschlossen.

Sie halten geistige Freiheit, moralische Sauberkeit und Verantwortungsgefiihl fiir die Grundlage jeder öffentlichen geistigen Wirksamkeit.

Sie haben um dieser Überzeugung willen die Verbannung auf sich genommen. Sie wollen diese Überzeugung auch in der Verbannung nicht antasten lassen.

Sie wollen alle sammeln, die sich aufrichtig zu den gleichen Grundsätzen bekennen. Sie glauben, daß die Sache der deutschen Freiheit nur in dieser geistigen Haltung vor der Welt vertreten werden kann. Sie sind überzeugt, daß der Kampf gegen die Unterdrückung der Freiheit in Deutschland nur mit diesen Grundsätzen zu gewinnen ist.

Sie fordern alle Schriftsteller und Journalisten, die gleicher Gesinnung sind, auf, sich ihnen anzuschließen.

Es scheint wichtig, diesen Aufruf noch einmal in Erinnerung zu bringen, weil er zeigt, daß es bereits vor fünfzig jahren Schriftsteller deutscher Sprache im Exil gab, die darauf verzichteten, sich jenen anzuschließen, die, wie Anna Seghers, Bert Brecht, Bodo Uhse und
andere, nach 1945 in die DDR gerufen wurden, um dort als Kämpfer gegen den Faschismus gefeiert und mit den entsprechenden Preisen und Privilegien ausgestattet zu werden.

In der Bundesrepublik jedoch schien wenig Interesse für jene verlorenen Einzelgänger vorhanden zu sein, die bereits damals sozusagen die Perestrojka und Glasnost vorweggenommen hatten. So kam es, daß beispielsweise Alfred Döblins Roman »November 1918«, über dessen Schicksal in dieser Zeitung vor kurzem berichtet wurde, kaum ein Echo fand, daß ein so hervorragender Schriftsteller wie Leopold Schwarzschild, Herausgeber des Tage-Buchs, das er in das Pariser Exil herüberrettete und mit dem er das Weltgewissen gegen Hitler wachhielt, sowie Autor eines kritischen Buches über Karl Marx, „Der rote Preuße“, bis heute kaum die verdiente Würdigung fand.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen und würde auch den Dichter Walter Mehring einbeziehen, diesen unvergefšlichen Bänkelsänger einer sterbenden Republik, der selbst beinahe anonym in einem Züricher Altersheim starb. Seine Werkausgabe ließe sich durch einen Korrespondenzband ergänzen, der unter anderem auch folgenden Brief von Mehring an mich enthalten müßte (datiert Venedig, 12. September 1961):

Dear Hans, but: ich schrieb Dir einen Dankebrief für die Monat-Kritik (die ich mir schließlich aus Zürich beschaffte) … Das erste Mal – Deine Adressenangabe war fast unleserlich – durch Regen (oder Tränen?) verwischt – kam er zurück; das zweite Mal nicht…

Es ist selbstverständlich, daß ich Dir stets antworte, antworten werde – zumal Du mich (und noch dazu lobend) in einer deutschen Zeitschrift erwähnt hast …

Das ist für mich Rarität!

Denn da ich nicht zu den West-Ost-Kulturaustäuschern gehöre – ja Einladungen dieser Cliquen (PEN etc.) protestierend zurückgewiesen hatte, hin ich im »Bierverschiß« der westdeutschen Journaille und Literatur, die so heroisch, so furchtlos die Zensur der Meinungsfreiheit, den Terror, die Radioaktivität der Bundesrepublik angreift. (Die
 Atomzerfallprodukte des USSR-Proletariats und der B. B.recht Lehrstücke sind bekanntlich wunderheilsam.)

– What are you doing?

– I give up!

Mit aufrichtigem Bedauern, nach Venedig desertiert, zu Tintoretto und Carpaccio, Dich versäumt zu haben – und mit – denn das gibt es noch! – kollegialen Grüßen, Dein Walter (Walt Merin)

Zitiert aus Hans Sahl: Profiteure der Zweideutigkeit oder Jeder ist Mitwisser – Zur Situation der Intellektuellen in unserer Zeit; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. November 1990; auch in: Hans Sahl: „Und doch…“ – Essays und Kritiken aus zwei Kontinenten; Frankfurt am Main: Sammlung Luchterhand 1991, S. 30 ff.

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1940 1962 Biografisches Zeitschriften

Georg Fröschel schildert, wie er Mehrings Vorgesetzter in Hollywood wurde

Am 15. Juni 1962 hat Georg Fröschel in der ZEIT geschildert, wie er bei MetroGoldwyn in Hollywood der Chef von 13 Exilanten wurde, die es dank des American Rescue Commitee schafften, rechtzeitig 1940/41 aus Frankreich vor den Nationalsozialisten zu fliehen: 

Döblin, gleich ein paar anderen Gefährdeten, bekam er, eines Tages einen Vertrag der MetroGoldwyn. Es war kein glanzvoller Vertrag, aber er bot eine Existenzgrundlage für ein Jahr in Hollywood, als Script Writer der Metro — und das Entscheidende war: mit so einem Vertrag bekam man das amerikanische Visum. Döblin ging nach Hollywood — mit zwölf anderen. Diese dreizehn — so erzählte mir Döblin, als ich ihn 1947 traf — standen dafür, daß man sie bezahlte, unter einem Gebot und unter einem Verbot. Gebot: täglich von neun bis fünf im Script Writing Department der Metro Goldwyn zu sitzen, jeder in seinem Zimmer. Verbot: während dieser acht Stunden tatsächlich zu arbeiten — so schrieb Robert Neumann vor drei Wochen in der ZEIT. Eine schone Legende? Georg Fröschel erlebte jenes Jahr auf der anderen Seite, der der Arbeitgeber.

Von 1939 bis 1956 war ich bei Metro GoldwynMayer als Filmschriftsteller angestellt. Im Jahre 1940 ließ mich Louis B. Mayer, der Chef dieser größten amerikanischen Filmgesellschaft, in sein Büro rufen und sagte mir ungefähr folgendes: „In ein paar Tagen kommen drei jüdische Schriftsteller, die aus Deutschland geflüchtet sind und die von einem Hilfskomitee nach Amerika gebracht wurden, hier an. Ich kenne die Herren nicht und weiß so gut wie nichts über sie. Es sollen begabte Leute sein. Sie werden ein Jahr bei uns arbeiten — auf Probe. Versuchen Sie, die Herren mit den hießigen Verhältnissen vertraut zu machen und beaufsichtigen Sie, was sie tun und treiben. Erzählen Sie ihnen nichts von dieser Unterredung“ So wurde ich, ohne daß es ihnen bekannt wurde, der Vorgesetzte von Walter Mehring, Alfred Polgar und Alfred Döblin.

Zum vollständigen Text…

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1941 Zeitleiste

2. Mai 1941: Feier zum 70. Geburtstag von Heinrich Mann bei Salka Viertel

Salka Viertel: Das unbelehrbare Herz
Salka Viertel: Das unbelehrbare Herz

Berthold und Salka Viertel sind schon 1928 nach Hollywood gezogen. Während Berthold Viertel viel in New York und London war, um an Filmen und im Theater als Regisseur und Autor zu arbeiten, etablierte sich Salka Viertel als Drehbuchautorin vor allem für Greta Garbo. Ihr Haus war immer Anlaufpunkt für Emigranten aus Deutschland, Österreich und später auch aus besetzten Ländern. In ihrer Autobiografie „Das unbelehrbare Herz“ schildert sie die Feier des 70. Geburtstages von Heinrich Mann in ihrem Haus. Einer der Gäste war Walter Mehring: