Am 29. April 1896 ist Walter Mehring in Berlin geboren. Zur Erinnerung einige Bilder von ihm – als Foto, Selbstporträt oder Portät.
Schlagwort: Porträt
Walter Mehring
«Ich hab” die Welt zu malen, nicht zu ändern»
«Jeder ist Dadaist, ob er will oder nicht. Wenn Sie sich eine Wurst kaufen, werden Sie selbst zum Dadaisten. ››
Walter Mehring. Vor 15 Jahren stirbt der Mann, der so gerne Maler geworden wäre, als Journalist, Poet, Chansonnier, Dramatiker und Spotter im städtischen Altersheim Erlenhof in Zürich, zwischen Neubauten und Bahngleisen.
Heute ist Mehring kaum mehr eine Zeile wert. Warum? Weil er nie «politisch korrekt» war? Weil er so gern ein «entarteter Maler» geworden wäre, es «aber nur zum Schriftsteller gelangt hat››? Weil er bekennender Sozialist bis zu seiner letzten Zigarette geblieben ist?
Walter Mehring – der 1896 in Berlin Geborene und seit seinem Tod 1981 sträflich leichtsinnig Vergessene – stand stets «Am Rande der Zeit››.
Rolf Herschel hat das Programmheft zum 2. Programm der Leipziger Pfeffermühle gestaltet. „Heute geschlossene Gesellschaft“ war ein Nummerprogramm mit Texten aus den 1920er-Jahren. Darunter „Der Angeklagte hat das letzte Wort“ und „Zum blauen Affen“ von Walter Mehring.
Das „Festspielbuch“ der Heidelberger Festspiele 1929 enthält dieses Foto von Walter Mehring. Im Mittelteil des kleinen Büchleins, nach den einführenden Texten und vor den umfangreichen Anzeigen, sind „Bilder der Spielstätten / Bildnisse der Leiter / Darsteller / Mitarbeiter“. Hier findet sich dieses Porträt. Aber sonst ist weder im Festspielbuch noch im „Spielzettel“ zu den drei Inszenierungen von „Sommernachtstraum“, „Troilus und Cressida“ und „Florian Geyer“ ein Hinweis auf Walter Mehring.
In der Weltbühne vom 13. August 1929 findet sich aber ein Hinweis: „Walter Mehring hat für die Heidelberger Festspiele Shakespeares ‚Troilus und Cressida‘ bearbeitet. Doch dieser Prolog ist gestrichen worden…“
Auf gewacht! Auf gewacht! Seit sieben Jahren ZerrcßBen unsre Nacht die Blutfanfaren! Wenn es den Herren paßt — droht uns Verderben, Bis sie den Sieg von unsern Knochen erben. Seit sieben Jahren pariern wir ihnen stumm! Und warum? Und warum? Nur weil ein Weib gehurt Von adliger Geburt, Hat uns das Vaterland hierher verfrachtet — Für Sold am fremden Strand Verdreckt man ungenannt, Weil eine Fürstlichkeit nach Kriegsruhm trachtet. Tretet an! Tretet an! Seit sieben Jahren Vermehrn sich Mann für Mann die Totenscharen! Seit sieben Jahren füllen wir die Reihen Mit frischem Leben, das wir von uns speien. Seit sieben Jahren schinden wir uns krumm! Und warum? Und warum? Weil es Soldaten gibt, Die bei den Fraun beliebt, Wenn sie sich morden, einer Frau zu Ehren! Wenn einer von uns rallt, Dann kommt der nachste Held — Weil Frauen stets nach neuem Trost begehren! Abmarschiert! Abmarschiert! Zu wieviel Jahren Hat sich der Tod verschworn, uns aufzusparen? Seit sieben Jahren ziehn wir, die Stadt berennen, Von deren Fraun und Freuden wir nichts kennen! Wenn wir einziehen, wird sie untergehn! Und für wen? Und für wen? Denn eine Helena Ist für die Herren da — Und was von ihren Taten zu vermelden, Erzählt der Schlachtbericht — Wir aber zahlen nicht! Auf unsern Grabern betten sich die Helden!
(Prolog zu Troilus und Cressida)
Fast wirkt es so, als hätten sich die Verantwortlichen der Festspiele über ihren Mut, neben dem etablierten Gerhart Hauptmann auch Walter Mehring in den Kreis der Bearbeiter, Regisseure und Schauspieler mit aufgenommen zu haben, so sehr erschreckt, dass sie auch noch vergessen haben, sein Bild aus der FEstschrift zu entfernen. Wenn schon der Name nicht auftaucht.
…Der beste Jahrgang deutscher Reben
ließ vor der Ernte so sein Leben…
Walter Mehring 1896 – 1981
Diese Verse aus dem Refrain des zehnten Briefes aus der Mitternacht hat die Künstlerin Renate Sendler-Peters 1982 unter ihr Porträt Walter Mehrings gesetzt. Auch wenn diese Worte gut 40 Jahre nach ihrem Entstehen auf den überlebenden Mehring nicht ganz passen, sind sie doch so wie das ganze Gedicht bewegend. Die Radierung ist in einer kleinen Auflage gedruckt worden. Sendler-Peters hat sehr viele Schriftsteller-Porträts gestaltet, etwa für den Insel-Verlag.
Der französische Fernsehsender France 2 widmet sich in einer Serie kurzer Filme der Kunst. Jedesmal wird in eineinhalb bis zwei Minuten ein Bild vorgestellt – und eine Geschichte zum Bild erzählt, die darüber hinaus geht. In dieser Ausgabe wird das Porträt Walter Mehrings von George Grosz aus dem Jahr 1925 vorgestellt.
Porträts von Walter Mehring
Friedrich Dürrenmatt, Porträt Walter Mehring, Gouache, 1960, © Centre Dürrenmatt Neuchâtel / Schweizerische Eidgenossenschaft
Neujahr 1956 besucht Walter Mehring in Neuchatel Friedrich Dürrenmatt. In den 50er-Jahren wächst eine Freundschaft zwischen den beiden Autoren. Das hier abgebildete Proträt ist an diesem Tag entstanden. Es ist das erste selbstgemalte Porträt des Schweizers. Es hing immer in dessen Arbeitszimmer – und hängt noch heute dort, im Centre Dürrenmatt Neuchâtel, das die Veröffentlichung hier im Blog dankenswerter Weise genehmigt hat. Dürrenmatt hat über Mehring und das Porträt folgendes geschrieben: „Zu meinen Portraits: Sie sind schnell entstanden, außer den beiden ersten. Ich bin froh, daß mir von Walter Mehring wenigstens in der Malerei ein Portrait gelang, schriftstellerisch ist es mir bis jetzt nicht gelungen. Dieser sprachgewaltige Lyriker hat in vielen seiner späteren Gedichte nicht sich, sondern uns überlebt. “ (Quelle: Friedrich Dürrenmatt: Persönliche Anmerkungen zu meinen Bildern und Zeichnungen (1978) Friedrich Dürrenmatt Werkausgabe, Bd. 32: Literatur und Kunst, Copyright ©1998 Diogenes Verlag AG Zürich; zu lesen auf der Webseite des Centre Dürrenmatt Neuchatel).
1953 hat der Berliner Fotograf Fritz Eschen eine ganze Serie von Proträts Walter Mehrings aufgenommen. Die Bilder liegen in der Deutschen Fotothek.