Diese kurzen Notizen im Rückblick spiegeln nichts wider von den oft übermenschlichen Mühen, die mir Arbeit, Geldverdienenmüssen, Umzug, neu Einrichten usw. gemacht haben. In meinem Tagebuch aus jenen Tagen ist natürlich viel mehr enthalten, aber selbst diese ausführlicheren Notizen geben mir beim Wiederlesen nur so etwas wie einen Schatten des Erlebten. Das Leben in meiner eigenen Behausung brachte mir so manche Bereicherung, nicht etwa in materieller, sondern in seelisch-moralischer Beziehung: ich konnte Freunde bei mir sehen oder, wenn dieses Wort vielleicht zu hoch gegriffen ist, Menschen, an denen mir lag, die Freunde werden konnten. Lotte Weidler kam, Richard Wright mit Ellen, seiner Frau, Claire und Yvan Goll, Lotte Lenya und Kurt Weill, Miriam, Marion, Bill und seine Frau. Zu meinen häufigen Besuchern gehörte Walter Mehring, und in der Erinnerung bin ich immer noch gerührt, wenn ich ihn sagen höre: Unter uns können wir ja eigentlich »boche« sprechen. Ich glaube, seine Sprache fehlte ihm sehr. Schriftsteller und Schauspieler hatten es besonders schwer als Flüchtlinge.
Ich glaube, man wird mit mir übereinstimmen, daß man dieses Schriftstück ohne weiteres in sein großes Romanwerk ,,A la Recherche du Temps Perdu“ hineinstellen könnte, obgleich es viele Jahre älter ist. Wir haben hier auch schon den charakteristischen Satzbau von Marcel Proust, in dem es dann später immer schwerer und schwerer wird, den Weg vom Anfang zum Ende eines Satzes zu finden. Darüber hat in derselben Nummer der LITERARISCHEN WELT Walter Mehring einen reizenden Witz in Form einer Verlagsanzeige gemacht:
Als wir das Linden-Hotel verlassen, ist es warm, und die Straße riecht nach Frühling. Wachsmann ist gut gelaunt. Er geht mit offenem Mantel und pfeift eine fröhliche Melodie. An der Kreuzung Friedrichstraße/Unter den Linden bleibt er stehen, mustert das fünfgeschossige Gebäude mit den kursächsischen Schwertern an der Giebelfront.
„Gibt es dort Meißner Porzellan?“ fragt er und pfeift weiter. „Ich hätte Lust, hier in der Sonne zu dösen“, meint er dann lächelnd.
„Und die Zeit?“ frage ich erstaunt. „Oder wollen Sie nicht mehr in die Schumannstraße?“
„Doch“, sagt er lachend und singt: «Die Linden lang! Galopp! Galopp! Zu Fuß, zu Pferd, zu zweit! Mit der Uhr in der Hand, mit’m Hut aufm Kopp, keine Zeit! Keine Zeit! Keine Zeit! – Kennen Sie das?“ Wachsmann sieht mich neugierig an.
Ich überlege verzweifelt, wie der Text weitergeht. Dann fallt mir doch nur der Refrain ein: „Mach Kasse! Mensch! Die Großstadt schreit: Keine Zeit! Keine Zeit! Keine Zeit!“
„Gut“, sagt Wachsmann. „Nur haben Sie die Hälfte unterschlagen! Man knutscht, man küßt, man boxt, man ringt, een Pneu zerplatzt …“, singt er weiter, und wir lachen über die Passanten, die uns neugierig betrachten. „Walter Mehring in Berlin“, sagt er dann. „Das hätten Sie erleben müssen. Es gab kein Hotel, keine Kneipe, kein Café, in denen er nicht gesessen hatte, und es gab in Berlin auch kaum Leute, die er nicht kannte: Abgeordnete und Straßenmädchen, Galeristen und Künstler, Taxifahrer, Kellner, Journalisten, Schauspieler, Ladenmädchen, Regisseure und Buchhändler. Leider haben wir uns erst getroffen, als ich auf dem Berliner Parkett schon ein wenig laufen konnte – im Frühsommer 1920 in Reinhardts zweitem ‚Schall und Rauch‘. Dort war es immer krachend voll, und so bin ich versehentlich einem hinter mir Stehenden auf den Fuß getreten. Darauf flüsteıte mir dieser Mensch sehr bestimmt, sehr freundlich und sehr berlinerisch: Du Rindvieh! ins Ohr. Ich drehte mich um und konterte mit Affe. So ging es weiter, bis unsere zoologischen Kenntnisse erschöpft waren und wir zudem feststellten, uns schon gesehen zu haben. Natürlich im Romanischen Café. Also beschlossen wir, lieber etwas zu trinken. Sicher wäre es besser gewesen, das zu lassen. Aber dann hätte ich Walter Mehring erst viel später oder vielleicht gar nicht näher kennengelernt. Jedenfalls bin ich am nächsten Vormittag in seiner Wohnung wieder zu mir gekommen. Mein Zustand war noch immer furchtbar, und Mehring erschreckte mich mit Skandalen, die ich verursacht haben sollte. Da mir jegliche Erinnerung fehlte, glaubte ich natürlich alles: von eindeutigen Anträgen, die ich wildfremden Damen gemacht, bis zu Prügeln, die ich deren entrüsteten Ehemännern angedroht hätte, und letztlich den Versuch, einen Schutzmann als Baum zu mißbrauchen. Zwei Stunden später saßen wir im Romanischen Café, und ich erfuhr unter dem Gelächter des Mehringschen Bekanntenkreises, daß er das alles erfunden hatte. Von dieser Stunde an gehörte ich im Romanischen Café zu den ‚Schwimmern‘ und lernte all jene Leute kennen, die ich vorher nur anzustaunen gewagt hatte: Else Lasker-Schüler und Herwarth Walden, Däubler, den Schachweltmeister Emanuel Lasker, den Dichter John Höxter, der ein Morphinist war, und die Dadas natürlich, die Saison hatten.“
Konrad Wachsmann, einer der großen deutschen – später deutsche-amerikanischen – Architekten des 20. Jahrhunderts wurde 1901 in Frankfurt (Oder) geboren. Er lebte, studierte und arbeitete in den 1920er-Jahren in Berlin. Dort lernte er bereits 1920 Walter Mehring kennen. Michael Grüning führte 1979 ausgiebige Interviews mit dem damaligen Besucher Ost-Berlins. Aus diesen Gesprächen entstand das Buch „Der Wachsmann-Report“, eine Art Autobiografie in Vermittlung Grünings. In diesem Buch erzählt Wachsmann auch von einigen Begegnungen mit Walter Mehring. Die erste ist die oben zitierte, von der er Grüning bei seinem Besuch 1979 in Ost-Berlin erzählte. (Michael Grüning: Der Wachsmann-Report – Auskünfte eines Architekten; Berlin: Verlag der Nationen 1985; S. 46 f.)
Walter Mehring
MÜLLER – CHRONIK EINER DEUTSCHEN SIPPE
Roman
272 Seiten, geb., claassen Verlag GmbH,
Düsseldorf, DM 28,–
DIE VERLORENE BIBLIOTHEK
Autobiographie einer Kultur
320 Seiten, geb., claassen Verlag GmbH,
Düsseldorf, DM 29,80
Die Bucher Walter Mehrings, nach dem K iege meist in fehlerhaften Ausgaben oder in schlechten Reprints herausgebracht, erscheinen nun zum ersten Mal in einer sorgfältig edierten und vom Autor durchgesehenen Werkausgabe. Der ctaassen-Verlag verbindet mit dieser Ausgabe die Hoffnung, daß Mehring, „einer der wenigen großen Satiriker, die Deutschland in diesem Jahrhundert hervorgebrach hat“ (Jürgen Serke), endlich den ihm gebührenden Platz in der deutschen Literatur findet. Denn der Tucholsky-Freund, den Hermann Kesten mit Heine und Villon verglich, ist bei uns immer noch ein weitgehend Unbekannter, ein zwischeen allen Stühlen sitzender ‚Exilierter‘.
Walter Mehring hat – und das ist bezeichnend für ihn – den MÜLLER-Roman als Band 1 der Werk-Ausgabe ausgewählt. Die CHRONIK EINER DEUTSCHEN SIPPE, Parodie und Paraphrase auf Gustaf Freytags „Ahnen“, ist eine – wie es scheint: zeitlose Satire auf den ewigen Untertan. Gleichgültig, ob sie Milesius, Mülibert, Mulobrad oder Mühlicher hießen, immer haben sich die Müllers getreu dem preußischen Kasernenhof-Dogma „Nur nicht auffallen!“ durch die Geschichte geschlagen, „haben das Heidentum abgeschworen, als es die Staatsraison von ihnen verlangte, dem Teufel widerstanden, als er auf Erden umging, sie wurden gut lutherisch zugleich mit ihren Fürsten, haben jeder Einberufung zum Heerdienst Folge geleistet, ihrem Herrn und Kaiser gedient unter der Monarchie wie in der Republik.“ (Walter Mehring)
Grundlage des Romans sind die Chroniken, Urkunden und Dokumente, auf die der Pg un Tacitus-§pezialist Dr. Armin Müller, Oberlehrer im Berliner Kgl. Wilhelmsgymnasium, 1933 gestoßen ist, als er im Zuge der allgemeinen Forderung nach Rassenreinheit den Beleg seines Ariertums zu erbringen hatte. Walter Mehring hat die Chronik der Müllers mit großem Einfühlungsvermögen in die literarischen Stile der Epochen und mit dem toternsten Witz des Satirikers aufgezeichnet. Das Buch wird bleiben, solange es MÜLLERS gibt…
Als die 1951 in New York herausgebrachte LOST LIBRARY als DIE VERLORENE BIBLIOTHEK. AUTOBIOGRAPHIE EINER KULTUR erstmals in deutscher Sprache erschien, schrieb Walter Mehring über die Entstehung des Buches: „Der Entschluß, die Lebensgeschichte einer Literatur – genauer gesagt: die Fabel einer mir verwandten Bibliothek – zu erzählen, kam mir auf der anderen Erdhälfte in Amerika, auf einer New England-Farm, deren Entlegenheit… mich wieder lehrte, Schritt für Schritt des Gelesenen mich zu erinnern.“
DIE VERLORENE BIBLIOTHEK zeigt Walter Mehring als den großen Kenner der Weltliteratur. Seine AUTOBIOGRAPHIE EINER KULTUR ist Literatur- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, ist zugleich – und das macht ihren besonderen Reiz und ihre Authentizität aus – e r l e b t e L i t e r a t u r aus der Feder eines Z e i t g e n o s s e n, der mit der Berliner Dada-Bewegung da-da-i-sierte, zu Herwarth Waldens „Sturm“-Kreis gehörte, Mitbegründer des Max Reinhardt-Kabaretts ‚Schall und Rauch‘ war und mit den „Dichtern und Denkern“ seiner Zeit (streitbaren) Umgang pflegte. Erinnerungen und Begegnungen – und doch nicht nur das.
Walter Mehring nimmt die Werke von Dante, Büchner, Balzac, Hegel, Fichte, Freud u.v.a. aus den Regalen der väterlichen Bibliothek und legt vor dem verblüfften Leser literarische Traditionslinien frei, streitet im Geiste des aufgeklärten Europäers, kommentiert als unbeugsamer Humanist. Dabei ist DIE VERLORENE BIBLIOTHEK kein Werk trocken philosophierender Gelehrsamkeit, sondern ein literarisch-kritisches Feuerwerk, das in seiner Anschaulichkeit, Lebendigkeit und Sprachgewalt in der – europäischen Literatur ohnegleichen ist.
MÜLLER. CHRONIK EINER DEUTSCHEN SIPPE und DIE VERLORENE BIBLIOTHEK. AUTOBIOGRAPHIE EINER KULTUR sind die ersten beiden Bände der Walter-Mehring-Werkausgabe im claassen-Verlag. 1979 wird von Walter Mehring als dritter Band der Werkausgabe das noch nicht veröffentlichte Buch, das er jetzt vollendet hat, „WIR MÜSSEN WEITER… Fragmente aus dem Exil” erscheinen. Die Werkausgabe wird herausgegeben von Christoph Buchwald.
Walter Mehring,
Lyriker, Essayist, Erzähler, Dramatiker, Film- und Funkautor und Übersetzer wurde am 29. April 1896 in Berlin geboren. Mehring gehört zu den Gründern des „Politischen Cabarets“ in Berlin und schrieb u.a. Texte für Max Reinhardts Kabarett „Schall und Rauch“. Seine von Tucholsky gerühmten Gedichte, Lieder und Chansons machten ihn früh berühmt und – verhaßt: viele seiner Bücher landeten am 10.Mai 1933 auf dem Scheiterhaufen. Walter Mehring entging seiner Verhaftung durch die SA nur knapp, emigrierte, wurde 1939 in Frankreich interniert und entkam 1941 in die USA. Nach dem Kriege kehrte Walter Mehring nach Europa zurück. Er lebt heute zurückgezogen in Zürich.
Die Pressesstelle des Claassen-Verlags hat diesen Pressetext als “Besprechungsunterlage” mit dem Band für die Rezension verschickt. Zwei Belege der Rezension hat sich der Verlag von den Rezensenten erbeten. (A.O.)
Der Elster Verlag gibt einen Newsletter heraus, in dem Besprechungen zu den von ihm verlgten Bücher an Abonnenten geschickt werden. Die kleine Zeitschrift im PDF-Format heißt „Lesezeichen“. In der Ausgabe III/2013 hat Hans Baumgartner einen Text über Mehring und „Die verlorene Bibliothek“ erschienen:
Walter Mehring: Die verlorene Bibliothek Aus der Zeit gefallen
Achtzig Jahre nach den nationalsozialistischen Bücherverbrennungen wird «Die verlorene Bibliothek» von Walter Mehring (1896-1981) neu aufgelegt – es ist die intellektuelleAntwort auf die große Barbarei.
Von Tag zu Tag saß er im Pfauen und bestellte sein Einerli Weißen, so wie Heiri Gretler am runden Tisch in der Ecke seinen Roten, aber meist allein, und immer mit Notizheft, am Schreiben. Seit seiner Rückkehr aus den Staaten lebte er wieder in den kleinen Hotels, ab den 70iger-Jahren meist in Zürich, im Florhof, Urban, Opera, manchmal in Ascona, nur selten in Deutschland, wo ihm in München sein 800 Seiten Manuskript «Die verbrannten Dichter», vielleicht sein Lebenswerk, abhanden kam. In Zürich traf nur ein fremder schwarzer Koffer ein.
Der kleine Elster Verlag aus Zürich nimmt sich Walter Mehring an. Vor wenigen Tagen ist „Die verlorene Bibliothek“ hier in einer neuen Ausgabe erschienen. Inhaltlich handelt es sich um eine Neuauflage der Textfassung aus der von Christoph Buchwald herausgegebenen Werkausgabe im Claassen Verlag. Und damit um die letzte von Walter Mehring bearbeitete Fassung.
Es ist die Nacht vor dem Reichstagsbrand. Walter Mehring will einen Vortrag halten. Der Veranstaltungsort ist von SA umstellt. Doch Mehring gelingt die Flucht – nach Paris. Fünf Jahre später. März 1938. Die Nacht vor dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich. Wieder entwischt Walter Mehring den Nazis im allerletzten Moment. Zuvor wurde schon sein Hotelzimmer mit der Bibliothek des Vaters durchsucht. Frankreich 1940. Walter Mehring wird in Marseille verhaftet und in ein französisches Internierungslager gesteckt. Auch von dort gelingt ihm die Flucht – diesmal bis in die USA.
Erwin Blumenfeld ist am 17. November 1918 aus dem Ersten Weltkrieg nach Berlin zurückgekehrt. Nach zwei Jahren in der Etappe hinter der Westfront machte er sich zügig auf den Weg, um Bekannte und Freunde aus dem Café Größenwahn zu finden. In seinem Erinnerungsband „Einbildungsroman“ schildert er die Ankunft in Berlin und die wenigen Tage, bis er nach Holland zu seiner Verlobten aufbrach. Die war mit Paul Citroen verwandt, dem Nachbarn, Kindheits- und Jungendfreund Mehrings:
„Zu Haus war niemand. Ich hatte keinen Schlüssel, saß im Schnee auf der Straße, bis der Portier mich, als es tagte, in unsere verlassene Wohnung ließ. Mama in einer Lungenheilanstalt bei Hannover, Annie als Polizeiassistentin in Hamburg. Um mich zu wärmen und gleichzeitig zu entlausen, verbrannte ich meine Uniform: Kaisers stinkenden Rock. Nichts zu fressen. Ich schlief erst mal mehrere Tage besinnungslos und erwachte fiebernd mit wolfsheulendem Husten. Als »Unerlaubt entfent vom Truppenteil« verweigerte man mir Lebensmittelkarten. Überall huschten Gerippe, die mit Karten am Verhungern waren. Ich ging auf Nahrungssuche und fand mit zwei silbernen Leuchtern eine Kartoffel. Mir fielen die legendären Hochzeitsweine meiner Eltern ein, die im Keller der Luitpoldstraße seit fünfundzwanzig Jahren hinter Schloß und Riegel darauf warteten, getrunken zu werden. Mit Hilfe von George Grosz schob ich an die sechzig Flaschen, in Säcken verborgen, auf einer Handkarre zu seinem Atelier. Da brieten wir meine Kartoffel, aßen dazu eine gelbe Wachskerze und probierten ein paar Pullen des edlen Nasses, wie im tiefen Frieden. Grosz pinselte ein Plakat: »Wohlgebaute junge Damen der Gesellschaft mit Filmtalenten werden zum Atelierfest bei Maler Grosz gebeten, acht Uhr abends, Abendtoilette! Olivaerplatz 4.« Mit diesem an einen Besenstiel genagelten Plakat promenierten wir als Sandwichmänner den Kurfürstendamm auf und ab. Zum Fest kamen elf Männer: Mynona, Grosz, Piscator, Huelsenbeck, Mehring, das Siebenmonatskind (der spätere Pipi-Dada), Benn, Gumpert, Yomar, Förste, Wieland und Muti Herzfelde (Monteur-Dada) und ich. Als mehr als fünfzig Damen auftauchten, mußten wir wegen
Überfüllung schließen. Der alte Mynona (schon über 40!) hatte angedeutet, daß in seiner Hosentasche ein halbes Pfund Cacao verborgen sei, und aller Damen Hände waren in seinen Hosentaschen. Ich beneidete diesen Roué! Um das Fest in Schwung zu bringen, schlugen wir vor, man solle sich entkleiden. Wir Männer zogen uns in die Küche zurück und beschlossen, unentkleidet zu bleiben. Als wir ins Studio zurückkamen, war die Damenwelt nackend und die Orgie begann. Alles besoff sich, die leeren Flaschen flogen durchs Glas
des Atelierfensters auf die Straße. Scherben, Schreie, Krach. Während alle jubelnd Takt schlugen, holte sich Grosz auf einer Chaiselongue in der Mitte des Studios bei Mascha Beethoven n Trippa. Mynona hat diesen historischen Abend in einem Roman, dessen Titel mir entfallen ist, verewigt. Zwei Tage danach erwachte ich erfroren in Groszens Badewanne, meinen blauen Anzug hatte man mir gestohlen.“
Zitiert aus: Erwin Blumenfeld: Einbildungsroman; Frankfurt/Main: Eichborn Verlag 1998, Die Andere Bibliothek, Bd.162, S. 248 f.