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1924 Lyrik Übersetzungen

Mehrings Übersetzung französischer Revolutionslieder im Malik-Verlag

Französische Revolutionslieder, Band 1 der Malik-Bücherei
Französische Revolutionslieder, Band 1 der Malik-Bücherei

Walter Mehring war nicht nur Dramatiker, Romancier, Lyriker und Journalist. Er hat auch immer wieder übersetzt. Dabei scheute er auch Namen wie Balzac oder Shakespeare nicht. Sein außergewöhnliches Sprachempfinden, sein enormer Wortschaftz und die Fähigkeit selbst die schwierigsten Stoffe in Rhythmen zum Schwingen zu bringen, ermöglichten ihm bemerkenswerte Übersetzungen.

Ein kleiner Band von 1924 mit nicht einmal 65 Seiten ist eines der so entstandenen Bücher. „Französische Revolutionslieder“ ist Band 1 der Malik-Bücherei des gleichnamigen Verlages von Wieland Herzfelde, dem Bruder John Heartfields. Die alten DADA-Kontakte führten wohl zu diesem Auftrag, dem Mehring gern nachkam. Jean Pottier und L.B. Clément heißen die Autoren der Chansons aus der Zeit der Pariser Kommune, denen Mehring seine Sprachgewalt borgte. Dabei erhielt er das Versmaß vollständig.

Diese Übersetzung ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen bezieht sich Walter Mehring im Vorwort explizit auf seinen Vater Sigmar Mehring. Ja er übernimmt sogar vier Übersetzungen von ihm. Meines Wissens nach ist dies das einzige Mal, dass er sich so offensiv zu seinem Vater bekennt – außer in der „Verlorenen Bibliothek“. Zum anderen ordnet sich Mehring mit der Publikation und der Übersetzung der frühkommunistischen Chansons in die Tradition des Kommunismus ein. „Pottier wollte in Dichtung und Tat nur eins: Propaganda der kommunistischen Freiheitsidee!“ schreibt er im Vorwort (S. 8). Und übernimmt damit diese Position.

Später wird er sich immer wieder stark von den Kommunisten distanzieren. Aber 1924, dem Jahr des Erscheinens, war in Deutschland noch nicht ausgemacht, ob die KP eine Freiheitspartei werden könnte oder eine, die Freiheit mit Füßen tritt. Der kraftvollen Übersetzung tut das keinen Abbruch.

Andreas Oppermann

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1934 Lyrik Zeitschriften

Der Deutsche Klub lädt zur Lesung Walter Mehrings in Paris

Anzeige im Neuen Tage Buch vom 9. Juni 1934
Anzeige im Neuen Tage Buch vom 9. Juni 1934
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2012 Wissenschaft Zeitschriften

Ulrich Tietze würdigt Mehring im Deutschen Pfarrerblatt

Im „Deutschen Pfarrerblatt“ (Nr. 5, 2012) hat Ulrich Tietze einen längeren Text über „Kriegstheologie und ihre Satiriker“ veröffentlicht. In ihm gibt es auch eine Passage über Walte Mehring, die hier zitiert wird. Der gesamte Text findet sich hier…

3.3. »Seelenmesse für Agnostiker, Wortgläubige und unbekehrbare Freigeister« – Walter Mehring

Zweifellos war Walter Mehring einer der interessantesten und auch begabtesten der Satiriker in dieser Zeit; der Kabarett-Chronist Klaus Budzinski schreibt über ihn: »Mehrings Sprachgewalt und lyrische Potenz hob das Chanson im Kabarett auf ein Niveau, das vor ihm nur Frank Wedekind und nach ihm niemand mehr erreicht hat.«34 Mehring hat, vielleicht mehr als andere Autoren der »Neuen Sachlichkeit«, religiöse Formen und Überschriften benutzt: eines seiner Bücher (eine Zusammenstellung von 1966, die Formen stammen aus der Weimarer Zeit), noch heute erhältlich und in vielfacher Hinsicht unvermindert lesenswert, trägt den bezeichnenden Titel »Neues Ketzerbrevier«35 mit dem Untertitel »eine Seelenmesse für Agnostiker, Wortgläubige und unbekehrbare Freigeister« und beinhaltet tatsächlich eine Vielzahl von religiösen Anspielungen und – natürlich satirisch verfremdeten – Formen. Beispiele: »Litanei« mit den Versen »Kyrie eleison – / alle Stätten / die dich loben / die uns ketten / an das Droben / mit Gelübden / und Geboten / in den Krypten / der Zeloten / von der Qual / und allem Jammer / in Spital / und Folterkammer / Alle die dich loben, Gott, / blutverwoben und bigott, / Herr, befreie uns davon – / Kyrie eleison!«36 Wird hier auf das Auseinanderklaffen der Lehre Jesu und der kirchlichen Praxis angespielt, so lässt sich diese Kritik auch in anderen Versen Mehrings entdecken.

Verdienstvoll bleibt aus meiner Sicht bei diesem Schriftsteller insbesondere eines: er stellte einen schlüssigen Zusammenhang zwischen dem »Hexenhammer« und Hitlers »Mein Kampf« her. In der Bibliothek seines Vaters, genauer in der Abteilung »Giftschrank«, fand Mehring den »Hexenhammer«. Er las ihn »wollüstig angeekelt«, verspürte allerdings »eine unvergessliche Schockwirkung«37 und unterzog ihn später einer gründlichen Analyse, bei der er weitgehende Parallelen zum Hitler-Buch fand: »Den Hexenwahn hat der Rassemythos ersetzt«; der Jude sei »in seiner Gemeinheit so riesengroß, dass sich niemand zu wundern braucht, wenn in unserem Volke die Personifikation des Teufels als Sinnbild alles Bösen die leibliche Gestalt des Juden annimmt.«38 Mehring sah viel früher als viele andere, dass sowohl durch die Hexenjagden als auch durch die NS-Verbrechen »das Martern von Menschen in ein geregeltes System gebracht« wurde – und er sah vor allem: »… all diese Henkersknechte waren ja nicht verhungerter, rachesüchtiger Pöbel. Ehrsame Bürger waren sie; pflichttreue Schinder, gewissenhafte Akademiker der Bestialität.«

Im Grund stellt sich auch bei Mehring die Frage nach dem Verhältnis von Gehorsamsforderung durch Staat, Kirche, Militär – und dem Recht auf eine eigene Meinung. Dass Mehring Deutschland nach Hitlers Machtantritt unter Lebensgefahr verlassen musste, gehört, wie bei vielen der besten Schriftsteller damals, zu den tragischen Aspekten des Lebens dieses Autors. Er selbst hätte diese Zeit in Deutschland kaum überlebt. Seine Schriften bleiben aktueller, als er selbst es wohl für möglich gehalten hat.

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1940 Biografisches

Miriam Davenport erinnert sich an Mehrings Flucht aus Frankreich

Die amerikanische Bildhauerin Miriam Davenport (1915 – 1999) erlebte die 1940 die Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen in Paris. SIe floh wie viele andere Künstler in den Süden. In Toulouse wurde ihr Walter Mehring vorgestellt, den sie schon mehrfach in ihrem Pariser Hotel gesehen hatte:

„One day, when Wolff and I were walking in the Place du Capitole, I recognized a sharp-faced little man coming towards Wolff with a broad smile and outstretched hand. I had known him on a „Bonjour, Monsieur“ basis in my hotel in Paris where he usually carried a bottle of wine in a paper bag under one arm. Wolff greeted him warmly and introduced him to me as Monsieur Mehring. The latter said, „Oh, but we have already met in Paris.“ When Monsieur Mehring had gone on his way, Wolff asked me if I really knew who he was. „No, not really.” I learned, then, that Walter Mehring was one of Germany’s most famous young poets, that he had written popular anti-Nazi songs, and that he was very high on the Nazi’s list of wanted men.“

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1998 Dramatisches

Walter Mehring als Teil eines Stückes für amerikanische Schüler

Das „Holocaust Teacher Resource Center“ hat 1998 bei Sean Price das Stück „Rescued from the Holocaust“ in Auftrag gegeben. In ihm spielt Varian Fry vom „Emergency Rescue Committee“ die zentrale Rolle. Genauso wie 1940/41 bei der Rettung Hunderter Intellektueller in Marseille. Die vierte Szene lässt auch Walter Mehring da Wort ergreifen:

Narrator D: Eventually, Meyerhof escapes and reaches the U.S. Meanwhile, Fry explores every means of getting people out of France. On a trip to Spain, he meets a British officer…
Major Torr: We’d love to loan you boats to help with the refugees. But we’re at war with Germany, and the British navy has no boats to spare. We still might be able to help, though.

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1940 1962 Biografisches Zeitschriften

Georg Fröschel schildert, wie er Mehrings Vorgesetzter in Hollywood wurde

Am 15. Juni 1962 hat Georg Fröschel in der ZEIT geschildert, wie er bei MetroGoldwyn in Hollywood der Chef von 13 Exilanten wurde, die es dank des American Rescue Commitee schafften, rechtzeitig 1940/41 aus Frankreich vor den Nationalsozialisten zu fliehen: 

Döblin, gleich ein paar anderen Gefährdeten, bekam er, eines Tages einen Vertrag der MetroGoldwyn. Es war kein glanzvoller Vertrag, aber er bot eine Existenzgrundlage für ein Jahr in Hollywood, als Script Writer der Metro — und das Entscheidende war: mit so einem Vertrag bekam man das amerikanische Visum. Döblin ging nach Hollywood — mit zwölf anderen. Diese dreizehn — so erzählte mir Döblin, als ich ihn 1947 traf — standen dafür, daß man sie bezahlte, unter einem Gebot und unter einem Verbot. Gebot: täglich von neun bis fünf im Script Writing Department der Metro Goldwyn zu sitzen, jeder in seinem Zimmer. Verbot: während dieser acht Stunden tatsächlich zu arbeiten — so schrieb Robert Neumann vor drei Wochen in der ZEIT. Eine schone Legende? Georg Fröschel erlebte jenes Jahr auf der anderen Seite, der der Arbeitgeber.

Von 1939 bis 1956 war ich bei Metro GoldwynMayer als Filmschriftsteller angestellt. Im Jahre 1940 ließ mich Louis B. Mayer, der Chef dieser größten amerikanischen Filmgesellschaft, in sein Büro rufen und sagte mir ungefähr folgendes: „In ein paar Tagen kommen drei jüdische Schriftsteller, die aus Deutschland geflüchtet sind und die von einem Hilfskomitee nach Amerika gebracht wurden, hier an. Ich kenne die Herren nicht und weiß so gut wie nichts über sie. Es sollen begabte Leute sein. Sie werden ein Jahr bei uns arbeiten — auf Probe. Versuchen Sie, die Herren mit den hießigen Verhältnissen vertraut zu machen und beaufsichtigen Sie, was sie tun und treiben. Erzählen Sie ihnen nichts von dieser Unterredung“ So wurde ich, ohne daß es ihnen bekannt wurde, der Vorgesetzte von Walter Mehring, Alfred Polgar und Alfred Döblin.

Zum vollständigen Text…

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2000 Lieder Rezensionen

Michael Feingold feiert Kurt Weill und seine Texter in der New Yorker Village Voice

The Weill Party

The 20th Century’s Most Influential Composer Turns 100
By Michael Feingold Tuesday, Mar 7 2000

Fill in the missing term that links each of the following pairs: Ferruccio Busoni and Fred MacMurray; Jean Cocteau and Lee Strasberg; Fritz Lang and Langston Hughes. Hint: It’s a composer whose music has been recorded by rock groups, avant-garde ensembles, lounge acts, Broadway stars, opera houses, and Anjelica Huston’s grandfather. Second hint: I’m writing this on his 100th birthday. Final hint: Most people, misguidedly, only think of his name as coming immediately after „Bertolt Brecht.“ A hundred years ago, on March 2, 1900, Kurt Julian Weill was born in Dessau, a midsize city in eastern Germany.

Since another of Brecht’s major musical collaborators was a composer named Dessau, you might say that the ironies and confusions around Weill began at his birth. But Paul Dessau did not write the tune of „Mack the Knife“—nor, for that matter, did Bertolt Brecht, though in later life he enjoyed hinting he’d had a hand in it. That sums up, in a way, the struggle Weill’s had establishing his reputation: His tremendous force and originality as a composer were only equalled by his ability to subsume himself, as any theater artist must, in the collaborative act. He changed the face of theater music, and permanently altered the way we think about music in general, but people still think first of „Brecht and Weill.“ And yet he wrote with over 25 other lyricists, an astonishing array that includes everyone from Cocteau and Hughes to the Berlin cabarettist Walter Mehring and the Tin Pan Alley scribbler Sam Coslow. Brecht’s may be the most lasting theatrical voice among Weill’s librettists, but the others—Georg Kaiser, Franz Werfel, Jacques Deval, Maxwell Anderson, Alan Jay Lerner—make up a list from which you could easily build a course on the modern history of the popular stage. Wherever you go in music theater, from mass spectacle to surrealist caprice, Weill was there ahead of you, humanizing the didactic and bringing depth to the divertissement. „He was an architect,“ Virgil Thomson wrote when he died, „a master of musico-dramatic design, whose works, built for function and solidity, constitute a repertory of models.“ And he did it all in 50 years: The centennial of Weill’s birth is also the 50th anniversary of his death (April 3, 1950, of heart failure). The ongoing celebration of his work is both a birthday party and a memorial.

Der vollständige Artikel der Village Voice…

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1981 Biografisches

Nur Euch zum Trotz – Walter Mehring (ZDF-Doku von 1981)

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1995 Prosa Wissenschaft

Wenn Müllers in Paris Tyrannen morden

Die Prosa Walter Mehrings am Beispiel seiner Romane
Wenn Müllers in Paris Tyrannen morden - Die Prosa Walter Mehrings am Beispiel seiner Romane | von Andreas Oppermann

Die gesamte Diplomarbeit findet sich als pdf hinter diesem Link…

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1966 Rezensionen Zeitschriften

Walter Mehring bespricht im Spiegel eine Anthologie zur Weltbühne und zum Tagebuch

Ausschnitt des Artikels
Ausschnitt des Artikels (Der gesamte Text als PDF...)

Im Dezember 1966 bespricht Walter Mehring im „Spiegel“ (Nr. 49/1966, S. 163) eine Anthologie über die „Weltbühne“ und das „Tagebuch“ des Dichters Wolfgang Weyrauch. Dabei geht er auch auf den Fall Josef Jakubowski ein, einem der großen Justizskandale der Weimarer Republik. Der Text ist von einer interssierten Distanz zur eigenen Geschichte geprägt. Mehring hält die Anthologie für „kulturell wertvoll“ im Sinne einer guten Ergänzung zum Geschichtsunterricht. Der einzige aktuelle Aspekt für ihn sind Hinweise auf die DDR-Zensur, da die Rechte für die Texte der Weltbühne in Ost-Berlin liegen:  

EMPÖRUNG ALS KONSERVE
Walter Mehring über die Antholgie als „Weltbühne“ und „Tagebuch“: „Ausnahmezustand“

Von Mehring, Walter

Walter Mehring, 70, gebürtiger Berliner, ist in den zwanziger Jahren, neben Tucholsky und Kästner, als Autor politischer Lyrik („Das Ketzerbrevier“), als satirischer Schriftsteller und zeitkritischer Publizist berühmt geworden. Er emigrierte 1933 aus Hitlers Deutschland und entkam 1941 aus Frankreich nach den USA. Im Exil entstand seine „Autobiographie einer Kultur“ „Die verlorene Bibliothek“. Mehring, der Mitarbeiter von „Weltbühne“ und „Tagebuch“ war und mit mehreren Beiträgen, in der hier von ihm besprochenen Anthologie vertreten ist, lebt heute in Ascona. – Wolfgang Weyrauch, 59, schrieb Erzählungen, Gedichte und Hörspiele („Anabasis“) und trat mehrfach als Herausgeber von literarisch-politischen Anthologien („Ich lebe in der Bundesrepublik“) hervor.

Ein greiser (doch noch nicht weiser) Autor erhielt kürzlich ein über 400-Seiten starkes Geschenk- und Belegexemplar, betitelt „Ausnahmezustand“ (was ihm zunächst nach einer staatsrechtlichen Abhandlung klang – Artikel 48 der Weimarer Verfassung), aber untertitelt: „Eine Anthologie aus ‚Weltbühne‘ und ‚Tagebuch'“.

Und das rührte, das berührte ihn wie ein Familienalbum von Geistesverwandten und Gesinnungsfreunden, mit denen er einmal Schulter an Schulter polemisiert hatte. Es tauchten da sogleich Assoziationen in ihm auf, Reminiszenzen an Feldpost- und Brotkarten, Dolchstoßlegende, Feme, Spartakus, Freikorpsputsche, Nackttanz-Dielen, Kokain, Kulturbolschewismus, Schmutz und-Schund-Gesetz, Gotteslästerungen (im Sinne der einschlägigen Paragraphen) und an „Die Hitlerei“. So lautet – ach, so harmlos – eine Kapitelüberschrift. Eine andere dagegen: „Der Krieg ist eine grauenhafte Schlächterei“. Fürwahr: Gelinde gesagt!

Fortsetzung im Archiv von Spiegel Online…

Der gesamte Text als PDF…