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1934 2010 Prosa Wissenschaft

Dieter Schiller charakterisiert die „Naziführer“

Auszug aus Dieter Schiller: Der Traum von Hitlers Sturz: Studien zur deutschen Exilliteratur 1933-1945
Auszug aus Dieter Schiller: Der Traum von Hitlers Sturz: Studien zur deutschen Exilliteratur 1933-1945
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1934 Prosa Zeitschriften

„Das Neue Tagebuch“ stellt „Naziführer sehen Dich an“ vor

1934 hat Walter Mehring anonym das Buch „Naziführer sehen dich an in der Editions du Carrefour veröffentlicht. Es enthält 33 Biografien von Größen der Nationalsozialisten. Profunde Fachkenntnis und sein exakter, großartiger Stil machen aus dem Band ein erstaunlich lehrreiches Buch. Wie in vielen seiner Gedichte und Zeitschriftentexte wird seine geradzu seherische Gabe deutlich. In der Zeitschrift Das Neue Tage-Buch erschien die erste kurze Vorstellung, die unten wiedergegeben wird: 

Eine traurige Galerie

Darre, Frank II, Prinz Auwi, Ley, Himmler, Epp, Streicher, Esser, Heines, Helldorf, Hinkler, Scheppmann, Kube,Killinger, Mutschmann, Kaufmann, Klagges, Feder,
Schlageter, Wessei, die beiden Hindenburgs, Papen, Hugenberg, Thyssen, Schacht, Schmitt. Dazu 40 unveröffentlichte Photos.

Der Titel zeigt an, dass dies Buch eine Antwort auf die Schmähschrift ist. Der Unterschied
zwischen beiden Publikationen besteht darin, dass die Schmiererei des Herrn von Leers eine Mischung Ton Fälschungen und Aufreizung zum Mord war – während die
Schrift „Naziführer sehen Dich an“ eine saubere Sammlung von Dokumenten darstellt. In der Einleitung heisst es: „Den Autoren dieses Buches wurde eine Bedingung gestellt: ihre Phantasie zu zügeln“. Die Autoren baben diese Bedingung erfüllt.

Es wäre leicht, auf Grund der einwandfreien Akten aus dem Vorleben der Naziführer Hass-Karikaturen zu schaffen. Doch könnten sie nie erreichen, was diese zurückhaltenden,  exakten, lediglich registrierenden Buchungen bewirken: die Erschütterung durch die nackte Wahrheit. Dies Buch ist für jeden Zeitgenossen ein unentbehrlicher Leitfaden durch das gigantischste Labyrinth der Lügen.

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1939 Zeitschriften

„Die Zukunft“ lädt im Juni 1939 zum Tucholsky-Mehring-Abend

1938 bis 1940 ist die Zeitschrift „Die Zukunft“ im Pariser Exil erschienen. Sie hatte auch einen Freundeskreis, der Lesungen und andere Kulturveranstaltungen organisierte. Am 9. Juni 1939 in der der Nummer 23 veröffentlichte das Blatt folgenden kleinen Artikel:

Tucholskv-Mehring Abend
Die „Freunde der Zukunft“ werden in zwangsloser Reihenfolge „Zukunft-Abende“ veranstalten. Vorgesehen sind Vorträge und Vorlesungen politischer, wissenschaftlicher, künstlerischer und literarischer Natur, Konzerte, Filmvorführungen und Diskussionsabende. Die „Zukunft-Abende“ werden regelmässig in der „Zukunft“  angekündigt werden. Der Unkostenbeitrag wird so niedrig wie möglich gehalten werden. Nicht nur Freunde und Leser der „Zukunft“, auch Gäste sind willkommen.

Der erste Abend ist Kurt Tucholsky und Walter Mehring gewidmet. Mehring selber wird sprechen, lesen und vortragen.

Wer an aas politische Gedicht, Chanson und Pamphlet der Vor-Hitler-Zeit denkt, der wird zuerst an Kurt Tucholsky und Walter Mehring denken, Eine vergangene, verschollene Welt? Ganz im Gegenteil! Eine höchst lebendige (vielen braven Leuten noch heute: allzulebendige) Welt wird auferstehen. Wieviel ist da vorausgesehen und vorausgesagt! Nicht nur für die nahe Vergangenheit und Gegenwart, auch für die Zukunft.

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2012 Lieder

Der Blogger Jay macht eine erstaunliche Entdeckung bei Mehring

Pünktlich zum Geburtstag von Walter Mehring hat der Blogger Jay eine persönlicher Erinnerung an einen Text von ihm aufgeschrieben. Sie ist nicht nur interessant, sie ist verblüffend:

Am 29. April 1896 wurde Walter Mehring in Berlin geboren. Er ist schon einmal in diesem Blog vorgekommen, weil ich am 3. Oktober 2011 ➱hier seine Ode an Berlin zitiert habe. Er hat wunderbare Chansons geschrieben, was auch der immer kritische Kurt Tucholsky zugestehen musste. Das erste, was ich von Mehring gelesen habe, war Die verlorene Bibliothek: Autobiographie einer Kultur, ein Buch, das mich nachhaltig beeindruckt hat. Wenn man bedenkt, dass es 1952 bei Rowohlt erschienen war – warum wusste ich bis 1972, als die Paperbackausgabe erschien, nichts von diesem Buch? Warum stand dieses Buch nicht auf der Leseliste der Schulen? Immerhin sendete Radio Bremen 1955 ein Interview mit dem Autor, das hätte ja mal ein Lehrer in Bremen hören können. Aber vielleicht wollte man diese Dinge, die mit dem Verlust unserer Kultur zu tun hatten, damals nicht hören.

Als ich die Verlorene Bibliothek las, wusste ich nicht, dass ich einen Text von Walter Mehring auswendig kannte, ein Chanson aus dem Jahre 1920. Ich kannte ihn nur als das Unteroffizierslied. Ich hatte es auswendig gelernt, als ich Fahnenjunker wurde und eins dieser seltsamen Aufnahmerituale bestehen musste. Zu dem auch das Austrinken eines großen Bierglases gehörte. Darin war nicht nur der durch das Reinheitsgebot geschützte Hopfensaft, das Bier war verfeinert durch einen Schuss Motoröl vom französischen Hotchkiss Getriebe unserer HS-30 Panzer. Und verschiedene andere Ingredienzien, die besser unerwähnt bleiben. Am Ende der Zeremonie wurde mit Inbrunst das Unteroffizierslied gesungen:

Hier steht nun der Text und noch mehr von Jay auf seinem Blog Silvae… 

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1977 Biografisches

Maja Beutlers Erinnerung an eine Begegnung mit Walter Mehring

Ein Wolf beisst sich die Zähne aus

Walter Mehring – der Unbekannte von der Szene: Letzten Samstag starb er, der Kabarettist und Schriftsteller, der, in Zürich im Alter von 85 Jahren (vgl. BZ vom Dienstag). Die Berner Autorin Maja Beutler hat den damals 81jährigen vor vier Jahren in einer Radiosendung porträtiert. Gleichzeitig entstand auch ein Text, eine Skizze, eine Reminiszenz an den Porträtierten. Es ist kein Lobgesang auf einen Toten, es ist die persönliche Annäherung an Walter Mehring. Eine Skizze eben.

Da geht ein kleiner Mann, stützt sich auf einen Stock und stösst die eine Schulter hoch bei jedem Schritt, als möchte er damit schon in den Himmel reichen. Da geht ein kleiner Mann, der sich nicht ins Alter ergeben mag und nicht ins Schweigen. Der 81jährige Walter Mehring ist aufbrausend, einsam, ungeduldig und egozentrisch wie ein pubertierender Jüngling:Das ist keine Frage – das ist ein Schlachtruf. Walter Mehring verteidigt, seit er in den Jahren des Ersten Weltkrieges zu schreiben begann, immer seine Ausnahmestellung. Nur nicht immer für dasselbe, das hat ihm die Welt nicht zugestanden. Heute ist er ein Ausnahmefall im Negativen: Kein Autor ist so vergessen, so verkannt, wird so hinters Licht geführt und missbraucht wie Walter Mehring. Es gibt nichts Rührendes an diesem Mann. Er ist eine einzige Anklage.

Seinen ersten Lyrikband, ‚Das Ketzerbrevier oder die Kunst der lyrischen Fuge‘, stellte er 1921 unter das Motto: ‚Ich hab’s gewagt…‘. Ein Wort Ulrich Huttens. Zuerst literarisch gedeutet, hat es Mehring später mit allen Parallelen von Flucht und Verfolgung durchlebt. Heute ist es sein Lebensfazit:

Die gesamte Skizze findet sich hier… 

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2012

„Mit der Güte des Menschen warʼs mal wieder nichts“

In der kommenden Woche wird im Zürcher Sogar-Theater eine neue Walter-Mehring-Revue aufgeführt. In der Folge ist der Pressetext zu lesen:

Das Leben Walter Mehrings (1896-1981) wird als exemplarische Biographie des 20. Jahrhunderts auf die Bühne gebracht: er war Künstler, Faschismuskritiker und Exilant. Seine Werke, inzwischen selten gelesen, sollen wieder ins Licht gerückt werden, den sie haben nichts von ihrer poetischen Virtuosität und intellektueller Schärfe verloren. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Mehring in Zürich, wo er zum Beispiel im Theater Stok auftrat oder im Café Odeon „studierte“, wie er selber notierte.

Seit 1915 gehört Walter Mehring zum Kreis der Expressionisten um Herwarth Walden herum und später zu den Berliner und Pariser Dadaisten. Mit Künstlerkollegen wie Kurt Tucholsky ist er auf den Berliner Bühnen Max Reinhardts, Rosa Valettis und Trude Hesterbergs zu Hause. In den 1920er Jahren feiert er als Autor und Journalist grosse Erfolge. 1929 wird sein Theaterstück „Der Kaufmann von Berlin“ uraufgeführt: Mit dem Aufkommen der Nationalsozialisten wird es für den bekennenden Pazifisten immer schwieriger, in Deutschland zu publizieren.

Er hat die Katastrophe schon lange heraufziehen sehen, ist dennoch nach Jahren in Paris, 1928 nach Berlin zurückgekehrt, wo er 1933 im letzten Moment den nationalsozialistischen Häschern entkommen kann. Danach beginnt seine Odyssee, die ihn über Wien, Internierungslager in Südfrankreich, Marseille, La Martinique und die USA führt. Dem letzten Kapitel seines Lebens, Zürich, wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet, denn hier leben noch viele Menschen, die ihn persönlich gekannt haben. Hier wo er nochmals seine ihm teuren kleinen Hotels und Cafés gefunden hat, aber auch hier, wo der durch die Emigration gebrochene Mehring nicht mehr heimisch geworden ist. Bis zu seinem Tod vor 30 Jahren fühlte er sich „staatenlos im Nirgendwo“.

Mit Graziella Rossi und Helmut Vogel stehen zwei ausgezeichnete Schauspieler auf der Bühne, die sich in ihren Produktionen wiederholt um vergessene Autoren bemühen. Der Komponist und Pianist Daniel Fueter wird das Projekt musikalisch begleiten und eigene Kompositionen beisteuern, denn Musik hat in Mehrings Leben eine wichtige Rolle gespielt. Die Mutter, Hedwig Mehring-Stein, war Opernsängerin und das Motto „De la musique avant tout“ zierte Mehrings Manuskripthefte. Friedrich Holländer und Kurt Weill haben mit Mehring zusammengearbeitet.

Walter Mehring war ein Individualist, er schloss sich keiner Partei oder ideologischen
Gruppierung an. Er erkannte die Zeichen der Zeit früher als andere und hat mit seiner
Feder darauf reagiert: Mit Sprachwitz, mit Satire, mit lustvoller Provokation und viel
Einfühlungsvermögen für Aussenseiter und Deklassierte. Seine Biographie und sein
Werk sind nicht nur Zeugnis für die Umbrüche des letzten Jahrhunderts, sondern
auch Wegweiser für unsere Zeit.

Mit der Güte des Menschen warʼs mal wieder nichts
Eine Walte Mehring-Revue
Spiel: Graziella Rossi und Helmut Vogel
Piano: Daniel Fueter
Buch und Konzept: Karen Roth-Krauthammer
Vorstellungen: Donnerstag, 26. April, 20.30 h – Premiere
Freitag, 27. April, 20.30 h
Samstag, 28. April, 20.30 h
Sonntag, 29. April, 17.00 h
Web: http://www.sogar.ch

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2011 Lieder

musica reanimata erinnert an Werner Richard Heymann – und an Mehring

Am 15. September 2011 erinnerte musica reanimata an den Komponisten Werner Richard Heymann (1896-1961). Nicht nur das Lied „Das gibt’s nur einmal…“, nach dem das Programm benannt war, kam zur Aufführung, sondern auch einige Lieder von Walter Mehring. Zwei davon gibt es in einer Kurzfassung im Netz:

musica reanimata: An den Kanälen (kurze Fassung)

musica reanimate: Des Huhnes Morgengesang (kurze Fassung)

Mehr dazu steht hier…

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2011 Lieder

Nina Omilian singt „Wie lange noch“ von Walter Mehring/Kurt Weill

Nina Omilian gilt als einer – oder gar die – aktuelle Stimme für Kurt-Weill-Songs. Mit ihrem musikalischen Partner Marian Lux und der Band Lux Musicale tritt sie untger anderem  im Berliner Quasimodo auf.

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1915 Fotos

Walter Mehring in der ersten Ausstellung seines Freundes Paul Citroen

Walter Mehring, sitzend mit Hut, betrachtet die Werke seine Freundes Paul Citroen in dessen elterlicher Wohnung in der Berliner Derfflinger Straße. Foto: Erwin Blumenfeld
Walter Mehring, sitzend mit Hut, betrachtet die Werke seine Freundes Paul Citroen in dessen elterlicher Wohnung in der Berliner Derfflinger Straße. Foto: Erwin Blumenfeld

Im Oktober 1915 stellte Paul Citroen (r.) das erste Mal seine Bilder aus. Seine Eltern ermöglichten ihm dies in der eigenen Wohnung in der Derfflinger Straße in Berlin-Tiergarten. Erwin Blumenfeld, der in den 40er- und 50er-Jahren einer der wichtigsten Modefotografen wurde und für Haparts’s Bazar und Vanity Fair arbeitete, hat die Aufnahme gemacht. Drei noch nicht einmal 20 Jahre alte Berliner, die sich alle auf ihrem Feld einen großen Namen erarbeiteten, sind an diesem Bild beteiligt.

Fundstelle des Bildes ist die Webseite www.luise-berlin.de 

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1974 Brief

1974 erinnert sich Mehring an die Uraufführung des Kaufmann von Berlin

Widmungsbrief Mehrings für eine Ausgabe des Kaufmanns von Berlin (1974)
Widmungsbrief Mehrings für eine Ausgabe des Kaufmanns von Berlin (1974)

Der Bankier Manfred Schienbein bat Walter Mehring um eine Widmung in die Erstausgabe  von „Der Kaufmann von Berlin“. Mehring schickte ihm dies am 6. Oktober zusammen mit einem Brief zurück. Zum Stück schreibt er, „…das ‚Kaufmann von Berlin‘ Exemplar ist das erste, das mir seit langen Jahren wieder zur Ansicht kam. Ich besitze keines mehr … Die Uraufführung war – ohne mich rühmen zu wollen – der sensationellste Misserfolg der 20.Jahre – in einer marxistisch umfunktionierten Inszenierung von Erwin Piscator … als Publikum Elite und S.A. …“

Dieser Brief stand am 12. April 2012 zur Auktion bei liveauctioneers.com.