Gut 35 Jahre nach der Sammlung der Gedichte Walter Mehrings in der Werkausgabe ist jetzt eine neue Zusammenstellung der wohl wichtigsten lyrischen Texte neu erschienen. Martin Dreyfus hat die Auswahl im Zürcher Elster-Verlag übernommen und ein sehr knappes Nachwort zur Einordnung verfasst. „Dass diese Zeit uns wieder singen lehre“ heißt der 208 Seiten starke Band.
„Walter Mehring ist einer der sprachmächtigen Lyriker, Satiriker und Poeten der Weimarer Republik. Kurt Tucholsky beschreibt die Denkart Mehrings:
Wenn wirklich Philosophie, Ablehnung aller Metaphysik,
schärfste und rüdeste Weltbejahung einen Straßensänger
gefunden haben, der das alles in den Fingerspitzen hat, […]
wenn die neue Zeit einen neuen Dichter hervorgebracht hat:
hier ist er.
Das Werk Mehrings genießt während der Zwanzigerjahre Ansehen, 1933 folgt der Sturz in die Bedeutungslosigkeit. Der von Mehring lange prophezeite Siegeszug des NS und das Leben im Exil zerbrechen ihn192. Nach dem Krieg fasst er in Deutschland nicht mehr Fuß. Zu behaupten, Mehring habe schreibend „nicht die Wirklichkeit im Kopf, sondern die Wahrheit, seine Wahrheit, die Wahrheit des Dichters“, trifft zwar die ihm eigene Fabulierlust, ist aber vereinfachend. In „Opposition zu allen bestehenden Produktions- und Lebensformen“ trotzt Mehring zeitlebens gegen Monarchie und Militarismus, Justiz,
Kirche. Nach Meinung Frithjof Trapps beschreiben Mehrings Texte ein
„Höllensystem“, das Bezug nimmt auf das, was anderen „heilige Werte“ sind – Werte, die dem Satiriker selber, wie er sagt, „zuwider“ sind. Man kann auch sagen: Mehrings Welt, die er in unzähligen Texten nachzeichnet, ist nichts anderes als eine „Topographie der Hölle“, ein Bild der Gegenwart – und der Geschichte – im Spiegel endlos sich variierender Höllenvorstellungen. Mehring selber ist Insasse der von ihm beschriebenen „Hölle“: verdammt, schon zu Lebzeiten in der „Hölle“ zu leben und sie unter ständigem Zwang zu beschreiben.
Diese Charakterisierung scheint mir unter zwei Aspekten treffend zu sein. Die Empörung des Satirikers Mehring entzündet sich an einer ungenügenden Realität, sie schürt einen beinah ,heiligen‘ Hass, der während der Weimarer Jahre zu einer Existenzform gerinnt. Hier keimt der verbitterte Enthusiasmus späterer Jahre. Mehrings Texte betreiben Bilderstürmerei, doch zehren sie auch von den gestürzten Ikonen – der „Häretiker“ Mehring schöpft aus der Gewalt und der Macht herrschender Lehre: „Jeder Staat ist eine legalisierte Interessengemeinheit, die sich gegen das Individuum verschworen hat.“ <SN: 220> Der Radikaldemokrat Mehring wird nicht müde, den bürgerlichindividuellen Anspruch auf ein angemessenes Leben in Freiheit zu bekräftigen. Oder, um das Diktum Karl Kraus’ abzuwandeln, zu Hitler ist Mehring meistens etwas eingefallen.
1924 greift Walter Mehring über profan weltliche Bilder hinaus und lotet die „Topographie der Hölle“ (Trapp) aus. Daß solche Transzendenz wenig geeignet scheint im Kampf gegen die Nazis, wird Mehring spätestens im Exil bewusst. Der 1934 erschienene Gedichtband Und Euch zum Trotz wünscht sich die Aggressivität eines radikal diesseitig denkenden Satirikers zurück:
Daß diese Zeit uns wieder singen lehre
Die guten Lieder eines bösen Spotts
– Selbst wenn uns Herz und Sinn danach nicht wäre –
Nur Euch zum Trotz!
(Nur Euch zum Trotz …!) <SN: 15>
Der Roman Müller: Chronik einer deutschen Sippe (1935) mobilisiert noch einmal das hergebrachte Kompendium Mehringscher Satire und attackiert den „ewigen Spießer“. In dessen Spielarten „von Rechts bis Links“ <VB: 23>, erkennt Mehring seinen „wichtigsten Feind“. Der Dadaist und Anarchist Mehring erschafft in der Figur des Spießers und Untertanen ein negatives Abbild seiner selbst. Ausgangspunkt und Projektionsfläche seines satirischen Tadels sind nicht Machthaber – die in den Augen Mehrings unbelehrbar sind –, es sind die kleinen Leute. Mehring hält das épater le bourgeois für eine Verteidigung aufklärerischer Bürgerlichkeit am Leben. Unter dem Titel: „Vernunft: Knockout!“ markiert Mehring 1929 die Grenzen literarischen Protests: „Eins in die Fresse! ist ein Argument, / das ein Jahrtausend Weisheit überrennt“ <CL: 323>. Die Ratio, so Mehring, ist der Gewalt schutzlos preisgegeben und muß dem braunen Terror weichen. Mehring nimmt den Geistesschaffenden jede Illusion gegenüber dem nahen Ende der Republik – und der eigenen Rolle im Geschehen:
Nach dem Rezept von Euren Denkernächten / streng theoretisch
hat man Blut verspritzt! Ja glaubt Ihr denn, daß man
ein Leben schone, / Weil einer ein Atom zerspalten hat? /
Man nützt es auch! Doch glaubt: es geht auch ohne, / Und
ohne Denken wär die Rechnung glatt. <CL: 323>
Die Intellektuellen jener Jahre tragen, so Mehring, an einer doppelten Bürde: Sie sollen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen und gleichzeitig der Erkenntnis beugen, dass sie der Mahlstrom der Realpolitik mundtot macht. Im Licht einer beispiellos rohen Zukunft wirkt die Vergangenheit kostbar, als ein Jahrtausend „Weisheit“, das es, als vergangenes, zu verteidigen gilt. Das Aufkommen und die Existenz der Nazibewegung als „Nichtdenken“, als „Irratio“ abzutun, hat Folgen: Daß Mehring die Vergangenheit adoriert, ist für einen inkonzilianten Satiriker ein denkbar ausgefallenes Geschäft. Die hergebrachte Geist-Macht-Antinomie greift nicht mehr.
Die Faktizität des Jahres 1933 setzt einen weiteren Akzent:
Diejenigen Autoren, die ihrer Zeit einen Spiegel vorgehalten hatten, damit diese sich in dem geschärften Abbild, das der Spiegel wiedergab, besser erkennen konnten – sie mußten einsehen, daß das satirische Zerrbild die Welt in Wahrheit geschönt hatte. Was vor 1933 Übertreibung gewesen zu sein schien, erwies sich nach 1933 als Untertreibung. <Trapp, S. 19>
Mit dem Müller–Roman betätigt sich Mehring als Chronist und schreibt eine zweitausendjährige Vergangenheit unter der Maßgabe der Nazigegenwart um. Der Satiriker erneuert damit seine Aufgabe zu übertreiben – indem er untertreibt. Die deutsche Geschichte wird dargestellt als eine unübersehbar lange Abfolge von Zufall und Unglück, die Diktatur scheint jetzt nur ein episodischer Nullpunkt historischer Entwicklungen zu sein.
Auch der Beitritt zum „Bund Freie Presse und Literatur“ im Jahr 1937 öffnet dem polarisierenden Mehring keine Tore. Der Bund tritt gegen die herrschenden Kräfte des NS-Exils an, vor allem den kommunistisch dominierten „Schutzverband Deutscher Schriftsteller“.
Das Selbstwertgefühl Mehrings versiegt mit den Jahren im Exil. So soll die Empfängerin der 1941 beendeten Briefe aus der Mitternacht mehr als das Verlangen nach ihrer Nähe stillen; die Projektion ihres Gegenübers stählt die auktoriale Existenz und beglaubigt das im Umhergetriebensein gefährdete Ich des Dichters. Der Eros soll hier Wunderheiler
sein vom „Herzasthma des Exils“ (Thomas Mann). Walter Mehring ruft sich eigene Versäumnisse in Erinnerung. Gesellschaftliche Visionen hätten vor allem dem Hochgefühl des Weltverbesserers selbst gegolten:
Zur Freiheit! Edel war der Rausch … / Was aber gaben wir in
Tausch? / Zu Menschenrechten! Selbst: Zu Gott! / Das letzte
Wort sprach das Schafott! / So haben wir mit Feur und
Schwert / … niemals geliebt, nur … stets bekehrt – […] <KB: 154>
Bedauernd konstatiert Mehrung, hinter der Fahne des Fortschritts sei so oft die Inquisition marschiert. Mehring betrauert auch das versunkene „Ithaka“ <BA: 180>: Der Tod der Boheme-Freunde löscht die geistige Heimat Mehrings aus.
Elende Jahre in den Vereinigten Staaten verstören Mehring. 1951 legt er noch einmal ein Buch, Die verlorene Bibliothek: Autobiographie einer Kultur, vor. Dass er die väterliche Buchsammlung zurücklassen musste, machte den Flüchtling wehrlos:
Ich ließ den Schutzwall hinter mir, den einst mein Vater mir errichtet hatte – aus Tausenden von Bänden –, jeder ein Anathema seiner weißen Aufklärungsmagie, kraft der er, der fortschrittsgläubige Atheist, sich gegen die Rückfälle ins Werwolftum gefeit geglaubt hatte. <VL: 19>
Die historische Faktizität der deutschen Diktatur steckt die „Grenzen der Aufklärung“ (Detlev Claussen) ab, läßt den Aufklärer im Nachhinein erscheinen als ein Phantast im Harnisch von Büchern, abgeschirmt von gesellschaftlicher Realität. Sich vor diesem Hintergrund des geistigen Erbes nicht mehr versichern zu können heißt für Mehring, ganz und gar entwurzelt zu sein.
Mehring verstummt in den Jahren nach dem Krieg. Wie die anderen untersuchten Satiriker findet er sich in Deutschland nicht mehr zurecht. Er ist vergessen. 1978, drei Jahre vor seinem Tod, beginnt der Claassen Verlag die Edition der Werke Walter Mehrings.“
(Bettina Widner: Die Stunde des Untertanen – Ein Untersuchung zu satirischen Romanen des NS-Exils am Beispiel von Irmgard Keun, Walter Mehring und Klaus Mann; Berlin: FU-Dissertationen 2001; Anmerkungen und Nachweise finden sich in den PDF-Dokumenten, die auf dem Server der Freien Universität liegen. Der Link zu dieser Passage. Die vollständige Dissertation aus dem Jahr 2001 auf dem Server der Freien Universität Berlin)
Relativ kurz nach der Rückkehr Walter Mehring aus dem Exil veruchte er, Kontakt mit der Gruppe 47 aufzunehmen. Er fühlte sich den jungen Autoren verbunden. Über seinen alten Freund Hermann Kesten gelang es ihm, bei der Mainzer Tagung 1953 zu lesen. Für Walter Mehring endete die Lesung in einem Desaster, das er zeitlebens nicht richtig verarbeiten konnte. Die maßgebliche Figur bei dieser Lesung war der damals noch junge Kritiker Joachim Kaiser. Selbst 35 Jahre später erinnerte er sich selbstzufrieden und ohne jeden Hauch von Selbstkritik an seinen Auftritt:
„(Joachim) Kaiser hat anlässlich der großen Ausstellung über die Gruppe 47 in der Berliner Akademie der Künste im Iahr 1988 dem Kurator Jürgen Schütte ein großes Interview gegeben. Er mokiert sich darin ein bisschen über »jenen nostalgisch-verkitschten Berliner Ton, jenen zweitklassig pseudo-brillanten Stil« Mehrings und konstatiert, dass es »eine Ausnahme, vielleicht eine etwas sentimentale Ausnahme« gewesen sei, dass Mehring überhaupt lesen durfte: »Mehring hatte sehr gebeten: er wollte unbedingt einmal lesen, sich den jungen Deutschen vorstellen. Hans Werner Richter also ließ ihn lesen und hatte nun das Pech, daß da der junge Joachim Kaiser saß, dem Mehrings Literatur nicht gefiel. Ich nahm mich sehr zusammen, machte mir Notizen. Und als Mehring dann fertig war, meldete ich mich. Richter hatte wohl das Gefühl: na, fragen wir den, der war ja das erste Mal so zurückhaltend. Und da legte ich, Punkt für Punkt dar, so logisch ich konnte, warum ich diese Art von Prosa nicht in Ordnung finde, warum ihre Form auf etwas ganz anderes zu zielen scheint als auf das, was ungenau ausgedrückt wird, und warum mir vieles schlecht feuilletonistisch vorgekommen ist, wenig durchdacht und einfach flüchtig. Als ich fertig war, hatten viele Zuhörer offenbar den Eindruck, ich hätte ungefähr das verbalisiert, was sie auch empfunden hatten. Und es war auch nicht ‚böse‘ gemeint gewesen. Ich hatte alles sehr höflich gesagt. Aber das Höfliche kann ja besonders schneidend wirken. Iedenfalls: Mehring reagierte daraufhin ungeheuer bestürzt, reiste wohl auch gleich ab. Ein paar sagten dann: also, der junge Mann argumentiert ja ausgezeichnet. Aber dann kam der Christian Perber auf mich zu und blaffte ziemlich ruppig zu dem Neuling: wir lassen uns doch von Ihnen den Mehring nicht kaputtmachen!«“
(zitiert aus: Helmut Böttiger: Die Gruppe 47 – Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb. München: Deutsche Verlags-Anstalt 2012, S. 164).
München 2, den 10. April 75
Verehrter Hans Bender,
wo bleibt die Antwort auf 4 Briefe = Anfragen über die Publikation in den AKZENTEN = des Aufsatzes von klaus Peter Dencker und meiner Texte [denen Sie „viele Seiten einräumen“ wollen =
?
Ich vermute, Sie haben : ein geräumiges Office = nicht, wie ich ein einziges Hotelzimmer mit einem Kleiderschrank voller Manuscripte = : = ja, vielleicht sogar eine Sekretärin, der Sie Ihre Antworten diktieren können =
AKZENTE könnten mir eine der wenigen gelegenheiten bieten, ernsthaft zu Worte zu kommen –
mit vielen Grüßen
– Ihr
Walter Mehring
Volker Neuhaus (Hg.): Briefe an Hans Bender; Köln: Kulturkreis der Deutschen Industrie e.V. 1984.
Walter Mehring zum Gruß
Er ist klein und zart und zäh. In ihm personifizieren sich die zwanziger Jahre Berlins, wie in nur wenigen anderen. Er ist ein Satiriker und ein Polemiker. Ein Chanson-Dichter und ein Essayist. Er hat Dramen geschrieben (»Der Kaufmann von Berlin«) und kesse Lieder-Texte; Er War Autor der »Weltbühne« und vorher noch beim »Sturm« und bei Hardens »Zukunft«. Er ist ein Literat, wie ihn nur die vehemente, aufbrechende, revoltierende Zeit des Umbruchs vom Kaiserreich zur Republik hervorbringen konnte. Er war der »Bänkelsänger von Berlin«, nicht minder aggressiv, als seine heutigen Nachfahren, doch von kultivierterem Geschmack. Er rezitierte seine Gedichte dort, wo Berlin am Berlinischsten war, am Wedding und er gehörte in den Kreis der Tucholsky, Brecht, Klabund, Piscator, Kästner und Walden. Berlin war ihm die Heimat, die er liebte und deren Gesellschaft er attackierte: »… Mach Kasse! Mensch! Die Großstadt schreit! Keine Zeit! Keine Zeit! Keine Zeit…« Und der Wedding war sein Montmartre. Ein »Asphalt-Literat« – welch ein Ehrentitel. Und jetzt wird er 70 Jahre alt, am 29. April 1966. Doch ist dies nur die eine Seite dieses Mannes, dessen Büchern die Ehre widerfuhr, 1933 auf den Scheiterhaufen zu Wandern: Noch 193 3 hatte er mit seiner »Sage vom großen Krebs« warnend seine Stimme erhoben. Mehring ist überdies ein Kunstkenner von Graden. Er hat Kunstgeschichte studiert und in den letzten Jahren hat er seine Aufmerksamkeit mehr und mehr der bildenden Kunst zugewandt. Nach dem Kriege trat er in Deutschland zum ersten Mal wieder mit seiner »Verlorenen Bibliothek« in Erscheinung, die er die »Autobiographie einer Kultur« nennt – Rekonstruktion der väterlichen, verlorenen Bibliothek, die ihn nach den Werten suchen ließ, welche »weiter für uns gültig sind«. Seine Bücher sind verstreut erschienen, bei Rowohlt, Kiepenheuer & Witsch und im Diogenes Verlag und anderswo. So hat auch sein Werk kein rechtes, festes Haus gefunden. Zwar sind für ihn die langen Jahre des Exils, die ihn über Frankreich in die Vereinigten Staaten führten, zu Ende. Er lebt jetzt in der Schweiz und fühlt sich dort zu Hause, wie überall, wo er an einem »Schreibtisch sitzen darf – gedankenfrei, träumend und hoffend auf ein Diesseits und Jenseits der alten und neuen Welt; in einer American Democracy; in der Deutschen Bundesrepublik; grenzenlos; außerhalb jeder Diktatur – als ein freier Schriftsteller«. Aber sein Berlin wird er, vermutlich, doch noch gelegentlich vermissen.
S .-F .
( S.-F.: Walter Mehring zum Gruß; in: Die Bücher der Neunzehn (hg.): Die Neunzehn ’66 – Texte und Information, München 1966, S. 22.)
WALTER MEHRING
PARMI les écrivains modernes de langue allemande, combien nous restent inconnus ou à peu près! Et si l’on pense aux jeunes, à la longue liste de ceux nés de la guerre et dela révolution, que représentent les quelques-uns dont le nom est tout juste parvenu jusqu’à nous? Au nombre de ces derniers, figure Walter Mehring, qui eût pourtant mérité de notre part une attention particulière rien que pour son admirable traduction des Contes drôlatiques de Balzac dans le langage allemand du seizième siècle, ou encore pour l’amour qu’il porte aux lettres françaises en général et dont témoignent ses travaux relatifs à notre poésie. A d’autres égards encore, il méritait que nous le connussions mieux: n’était-il pas resté, en août 1914, et ce, pendant toute la durée du carnage, sans défaillir une minute, l’actif antibelliciste de la veille?
Walter Melzring dont le père, Sigmar Mehring, traduisit aussi des ouvrages poétiques français, naquit à Berlin, voici près de trente-cinq ans. C’est en 1915 qu’il débute dans la littérature par des essais remarqués sur l’expressionnisme, alors en pleine vogue en Allemagne, auquel s’étaient ralliés tous les jeunes, et par des poèmes audacieux que
publie la revue littéraire d’avant-garde: Sturm. Puis il collabore à la Pleite (la Faillite), organe satirique, où il se lie avec le fameux caricaturiste George Grosz. C’est là également qu’il rencontre Carl Einstein, l’auteur du Mauvais Message, ouvrage qui valut à Einstein d’etre poursuivi et condamné pour blasphème au lendemain de la révolution allemande et sous un régime socialiste.
Un moment, en 1919, Walter Mehring se mit à composer des poésies surréalistes – le surréalisme commençait à supplanter l’expressionnisme, mais était révolutionnaire, lui aussi. Ces poésies au rythme syncopé eurent un certain succès en Allemagne. Mehring en publia trois recueils : Le cabaret politique, Le Bréviaire hérétique et les Nuits européennes. Il collaborait alors au Cabaret artistique „Schall und Rauch“ (Bruit et Fumée), à la Weltbühne et au Tagebuch.
En 1922, il publie Dans la Peau de l’Homme, recueil de nouvelles d’une verve mordante, suivi bientôt de son Abenteuerliches Tierhaus (les animaux dans la mystique, superstitions, psychanalise du moyen âge jusqu’à nos temps; les bestiaires de la littérature française), ouvrage dénotant une grande culture et un esprit profond.
Walter Mehring, malgré sa jeunesse et ses travaux, a dé jà beaucoup voyagé. Il aime la Provence et la côte d’Azur où il a vécu. Paris, où il passe chaque année plusieurs mois, n’a plus de secrets pour ce fouilleur et cet artiste. C’est ce qui lui a permis d’écrire ce beau roman, Paris en feu, dont nous espérons entreprendre la traduction. Précédemment, il avait publié, aux éditions Gottschalk de Berlin, son journal de voyage en Angleterre, dans
lequel nous le vímes déployer des qualités qui ne sont que l’apanage des écrivains de race. Il connaît aussi l’Algérie et en a rapporté le plus beau, le plus délicieux des livres: Algier oder die dreizehn Oasenwunder, recueil de contes que nous ferons également connaître en France, tout au moins partiellement.
Walter Mehring vient d’achever, après de longs efforts, un drame qui s’appellera, croyons-nous, Le Bourgeois de Berlin, et pour lequel, nous a-t-il confié, le Théâtre Piscator de Berlin travaille à une mise en scène prodigieuse.
Alzir HELLA.
(Dieser Text zur Vorstellung Walter Mehrings für ein französisches Publikum ist zur Erläuterung erschienen. Oliver Bournac und Alzir Hella hatten gemeinsam die Erzählung Adams goldene Rippe aus „In Menschenhaut Aus Menschenhaut Um Menschenhaut herum“ für die Zeitschrift „Le Merle“ übersetzt, die im Original schon fünf Jahre zuvor bei Gustav Kiepenheuer erschienen war. Alzir Hella vermittelte den Lesern, wer Walter Mehring ist. La Cote D’Adam; in: Le Merle, Nummer 21 (Nouvelle série) vom 27. September 1929; S. 7.)
Das ständige deutsche Theater in New York, in den letzten Jahren oft geplant und nie ausgeführt soll Tatsache werden. Kurt Robitschek wird das Continental Comedy Theater im grossen Theatersaal des Phytion Theater, 133 – 135 West 70 Strasse, Ende Oktober eröffnen. Es will in der Spielzeit 1942 – 1943 eine Serie der grössten amerikanischen und (…) Bühnenerfolge zur Aufführung bringen.
Geplant sind Aufführungen folgender Werke: „Watch on the Rhine“ von Lilian Hellman, „Arsenic and Old Lace“ von Joseph Kesselring, „Pygmalion“ von Shaw, „Angel Street“ von Patrick Hamilton, „Claudia“ von Rose Franken, „Broadway“ von Philip Dunning und George Abbott, „Abie’s Irish Rose“ von Anne Nichols, „Ladies in Retirement“ von Reginald Denham und Edward Percy, „The Last of Mrs. Cheyney“ von Frederick Lonsdale, „Room Service“ von John Murray und Allen Boretz.
Am Silvesterabend geht die Neubearbeitung der Operette „Die schöne Galathee“ von Franz von Suppé in Scene.
Kurt Robitschek besorgt die geschäftliche Leitung des Unternehmens. John Kolischer ist Assistent-Manager. Das künstlerische Niveau wird durch die Mitarbeit Joseph Schildkraut’s (sic!) garantiert, der zugleich die Oberregie führen wird. Die persönlichkeit dieses genialen Künstlers gibt die Gewissheit, dass der Stil des amerikanischen Theaters auch in den deutschen Bearbeitungen seiner Erfolgsstücke gewahrt bleiben wird.
Dramaturg des Unternehmens ist Walter Mehring, dem die Durchführung der deutschen Bearbeitung obliegt.
Die Vorstellungen werden vorläufig in Serien zu je drei Aufführungen abgehalten und beginnen mit den Galapremieren am Freitag, 30. Oktober, Samstag 31. Oktober und Sonntag 1. November. Drei Abonnementserien werden aufgelegt: Premieren-Abonnement, Samstag-Vorstellungen und Sonntagvorstellungen (sic!).
Als Eröffnungs-Vorstellung ist die Komödie mit Musik „Broadway“ Philip Dunning und George Abbott vorgesehen.
(Anonym: Continental Comedy Theater; In: „Aufbau“ vom 25. September 1942, S. 11; erschienen in der Rubrik: Wie wir hören.
Auf diesen Text hat dankenswerterweise Sven j. Olsson hingewiesen, der sich intensiv mit Walter Mehring befasst, dessen „Müller“ dramatisch bearbeitet hat und auch Lesungen mit Texten von Walter Mehring durchführt. A.O.)
Choral für Sehleute
Nach
WALTE R M E H RI NG
Wir haben die ganze Welt bereist
Von Ullstein bis Reichskanzlerplatz.
Wir haben mit Schmeling und Einstein gespeist,
Mit Alsberg und sogar mit Rudolf Stratz.
Uns trieb man nicht aus mit Schwert und Gas,
Vor uns stand man immer noch stramm.
Wir tranken Sekt aus dem Mundwasserglas
Und pumpten das Geld für die Tram.
Wir waren niemals allein,
Wir schlafen mit mindestens drein
Gespenstern aus dem Romanischen
Romanischen
Romanischen.
Wir haben den obersten Richtersitz
Und halten fest zusamm.
Wir fielen von Breslau und Czernowitz
Direkt auf den Kurfürstendamm.
Wir machen die deutsche Literatur,
Schweigen tot, polieren auf Glanz.
Gleich den Kaulquappen bestehen wir nur
Rumpf los aus Kopf und Schwanz.
Ob Jude oder Christ –
Es stäubt derselbe Mist
Gespenstísch aus dem Romanischen
Romanischen
Romanischen!
(Robert Neumann: Unter falscher Flagge – Parodien; Berlin – Wien – Leipzig: Paul Zsolnay Berlag 1932; S. 161.)