1977 hat sich Walter Stapper an „Die verbrannten Dichter“ erinnert und ein Programm mit Liedern dazu erstellt. Walter Mehring, Kurt Tucholsky, Ernst Toller, Lion Feuchtwanger, Heinrich Heine, Bertolt Brecht, Irmgard Keun, Else Lasker-Schüler, Erich Mühsam, Hirsch Glik und Erich Kästner hatte Stapper für sein Programm ausgewählt. Zur Gitarre sang er zu Kompositionen von Hanns Eisler, Peter Janssens und Bela Reinitz dar. In Rezensionen aus dem Jahr 1977, etwa aus den „Nürnberger Nachrichten“, wird das Programm sehr positiv bewertet: „Langanhaltender Beifall dankte Walter Stapper für diese lebendige und farbige literarische Geschichtsstunde.“
Kategorie: 1977
Manuela Mühlethaler: Wann haben Sie den Text „Oratorium von Krieg, Frieden und Inflation“ geschrieben?
Walter Mehring: Das Oratorium war geschrieben für eine Aufführung im Piscator-Theater in Berlin. Und wurde von Eisler komponiert dort zum ersten Mal aufgeführt.
Manuela Mühlethaler: In welchem Jahr war das?
Walter Mehring: Das war 1929.
Manuela Mühlethaler: Und wann haben das Stück es geschrieben?
Walter Mehring: Wenn man das ein Stück nennen kann. Es war eigentlich ein episches Theaterstück, das ich schon 1925 im ersten Wurf fertig gestellt hatte. Dann wurde es von Piscator im Theater am Nollendorf Platz in der Werkstatt aufgeführt, allerdings in einer sehr veränderten Form, als ich es ursprünglich beabsichtigt hatte. Es war das erste Mal in Berlin, dass die SA das Theater gestürmt hatte und dass die erste Aufführung – die anderen folgten dann doch – nicht zu Ende geführt werden konnte.
Am 8. Oktober 1977 ist die Bundesrepublik im Bann des Terrorismus. Die Schlagzeilen werden von der Entführung von Hanns Martin Schleyer dominiert. Schon im Juli war Jürgen Ponto ermordet worden, und im August scheiterte eine Anschlag auf die Bundesanwaltschaft. Manuela Mühlethaler ist zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt. Sie besucht einer Berufsaufbauschule , um die Mittlere Reife nachzumachen. Hier wird ihr die Aufgabe gestellt, ein Referat über einen Schriftsteller zu halten. Da sie durch den Liedermacher Walter Stapper mit Gedichten und Texten von Francois Villon, Kurt Tucholsky, Bert Brecht und Walter Mehring in Berührung kam, hatte sie sich eine Ausgabe von Mehrings «Großem Ketzerbrevier» gekauft.
Ein Wolf beisst sich die Zähne aus
Walter Mehring – der Unbekannte von der Szene: Letzten Samstag starb er, der Kabarettist und Schriftsteller, der, in Zürich im Alter von 85 Jahren (vgl. BZ vom Dienstag). Die Berner Autorin Maja Beutler hat den damals 81jährigen vor vier Jahren in einer Radiosendung porträtiert. Gleichzeitig entstand auch ein Text, eine Skizze, eine Reminiszenz an den Porträtierten. Es ist kein Lobgesang auf einen Toten, es ist die persönliche Annäherung an Walter Mehring. Eine Skizze eben.
Da geht ein kleiner Mann, stützt sich auf einen Stock und stösst die eine Schulter hoch bei jedem Schritt, als möchte er damit schon in den Himmel reichen. Da geht ein kleiner Mann, der sich nicht ins Alter ergeben mag und nicht ins Schweigen. Der 81jährige Walter Mehring ist aufbrausend, einsam, ungeduldig und egozentrisch wie ein pubertierender Jüngling:Das ist keine Frage – das ist ein Schlachtruf. Walter Mehring verteidigt, seit er in den Jahren des Ersten Weltkrieges zu schreiben begann, immer seine Ausnahmestellung. Nur nicht immer für dasselbe, das hat ihm die Welt nicht zugestanden. Heute ist er ein Ausnahmefall im Negativen: Kein Autor ist so vergessen, so verkannt, wird so hinters Licht geführt und missbraucht wie Walter Mehring. Es gibt nichts Rührendes an diesem Mann. Er ist eine einzige Anklage.
Seinen ersten Lyrikband, ‚Das Ketzerbrevier oder die Kunst der lyrischen Fuge‘, stellte er 1921 unter das Motto: ‚Ich hab’s gewagt…‘. Ein Wort Ulrich Huttens. Zuerst literarisch gedeutet, hat es Mehring später mit allen Parallelen von Flucht und Verfolgung durchlebt. Heute ist es sein Lebensfazit:
Die gesamte Skizze findet sich hier…