Am 29. April 1896 ist Walter Mehring in Berlin geboren. Zur Erinnerung einige Bilder von ihm – als Foto, Selbstporträt oder Portät.
Kategorie: Fotos
Das „Festspielbuch“ der Heidelberger Festspiele 1929 enthält dieses Foto von Walter Mehring. Im Mittelteil des kleinen Büchleins, nach den einführenden Texten und vor den umfangreichen Anzeigen, sind „Bilder der Spielstätten / Bildnisse der Leiter / Darsteller / Mitarbeiter“. Hier findet sich dieses Porträt. Aber sonst ist weder im Festspielbuch noch im „Spielzettel“ zu den drei Inszenierungen von „Sommernachtstraum“, „Troilus und Cressida“ und „Florian Geyer“ ein Hinweis auf Walter Mehring.
In der Weltbühne vom 13. August 1929 findet sich aber ein Hinweis: „Walter Mehring hat für die Heidelberger Festspiele Shakespeares ‚Troilus und Cressida‘ bearbeitet. Doch dieser Prolog ist gestrichen worden…“
Auf gewacht! Auf gewacht! Seit sieben Jahren ZerrcßBen unsre Nacht die Blutfanfaren! Wenn es den Herren paßt — droht uns Verderben, Bis sie den Sieg von unsern Knochen erben. Seit sieben Jahren pariern wir ihnen stumm! Und warum? Und warum? Nur weil ein Weib gehurt Von adliger Geburt, Hat uns das Vaterland hierher verfrachtet — Für Sold am fremden Strand Verdreckt man ungenannt, Weil eine Fürstlichkeit nach Kriegsruhm trachtet. Tretet an! Tretet an! Seit sieben Jahren Vermehrn sich Mann für Mann die Totenscharen! Seit sieben Jahren füllen wir die Reihen Mit frischem Leben, das wir von uns speien. Seit sieben Jahren schinden wir uns krumm! Und warum? Und warum? Weil es Soldaten gibt, Die bei den Fraun beliebt, Wenn sie sich morden, einer Frau zu Ehren! Wenn einer von uns rallt, Dann kommt der nachste Held — Weil Frauen stets nach neuem Trost begehren! Abmarschiert! Abmarschiert! Zu wieviel Jahren Hat sich der Tod verschworn, uns aufzusparen? Seit sieben Jahren ziehn wir, die Stadt berennen, Von deren Fraun und Freuden wir nichts kennen! Wenn wir einziehen, wird sie untergehn! Und für wen? Und für wen? Denn eine Helena Ist für die Herren da — Und was von ihren Taten zu vermelden, Erzählt der Schlachtbericht — Wir aber zahlen nicht! Auf unsern Grabern betten sich die Helden!
(Prolog zu Troilus und Cressida)
Fast wirkt es so, als hätten sich die Verantwortlichen der Festspiele über ihren Mut, neben dem etablierten Gerhart Hauptmann auch Walter Mehring in den Kreis der Bearbeiter, Regisseure und Schauspieler mit aufgenommen zu haben, so sehr erschreckt, dass sie auch noch vergessen haben, sein Bild aus der FEstschrift zu entfernen. Wenn schon der Name nicht auftaucht.
…Der beste Jahrgang deutscher Reben
ließ vor der Ernte so sein Leben…
Walter Mehring 1896 – 1981
Diese Verse aus dem Refrain des zehnten Briefes aus der Mitternacht hat die Künstlerin Renate Sendler-Peters 1982 unter ihr Porträt Walter Mehrings gesetzt. Auch wenn diese Worte gut 40 Jahre nach ihrem Entstehen auf den überlebenden Mehring nicht ganz passen, sind sie doch so wie das ganze Gedicht bewegend. Die Radierung ist in einer kleinen Auflage gedruckt worden. Sendler-Peters hat sehr viele Schriftsteller-Porträts gestaltet, etwa für den Insel-Verlag.
Derfflingerstraße 3 in Berlin-Tiergarten lautete die Anschrift der Familie Mehring. Hier verbrachte Walter Mehring seine Kindheit. Und hier lebte seine Mutter bis zur Deportation. Allerdings ist das Haus zerstört worden. Der Eingang zur Derfflingerstraße 3 ist heute einer zu einem Mehrfamilienhaus aus der Nachkriegszeit. Nichts erinnert an Walter Mehring, Vater Sigmar Mehring oder Mutter Hedwig Stein; keine Gedenktafel, kein Stolperstein. Das gilt auch für Walter Mehrings Jugendfreund Paul Citroen, der Maler und Fotografen, der in der Derfflingerstraße 21 aufwuchs.
Bücher Walter Mehrings
Das Café Herrenhof in Wien war einer der wichtigsten Treffpunkte der literarischen Szene in den Jahren, in denen Walter Mehring in Wien lebte. Zwischen 1934 und 1938 verbrachte er die meiste Zeit in der österreichischen Hauptstadt. Auch sein letzter Aufenthalt in einem Wiener Caféhaus war im Herrenhof.
Mehr Orte einst und jetzt:
Königliches Wilhelms-Gymnasium – Sony-Center
Derfflingerstraße in Berlin Tiergarten
Porträts von Walter Mehring
Friedrich Dürrenmatt, Porträt Walter Mehring, Gouache, 1960, © Centre Dürrenmatt Neuchâtel / Schweizerische Eidgenossenschaft
Neujahr 1956 besucht Walter Mehring in Neuchatel Friedrich Dürrenmatt. In den 50er-Jahren wächst eine Freundschaft zwischen den beiden Autoren. Das hier abgebildete Proträt ist an diesem Tag entstanden. Es ist das erste selbstgemalte Porträt des Schweizers. Es hing immer in dessen Arbeitszimmer – und hängt noch heute dort, im Centre Dürrenmatt Neuchâtel, das die Veröffentlichung hier im Blog dankenswerter Weise genehmigt hat. Dürrenmatt hat über Mehring und das Porträt folgendes geschrieben: „Zu meinen Portraits: Sie sind schnell entstanden, außer den beiden ersten. Ich bin froh, daß mir von Walter Mehring wenigstens in der Malerei ein Portrait gelang, schriftstellerisch ist es mir bis jetzt nicht gelungen. Dieser sprachgewaltige Lyriker hat in vielen seiner späteren Gedichte nicht sich, sondern uns überlebt. “ (Quelle: Friedrich Dürrenmatt: Persönliche Anmerkungen zu meinen Bildern und Zeichnungen (1978) Friedrich Dürrenmatt Werkausgabe, Bd. 32: Literatur und Kunst, Copyright ©1998 Diogenes Verlag AG Zürich; zu lesen auf der Webseite des Centre Dürrenmatt Neuchatel).
Gisa Hausmann zeichnet Walter Mehring
Gisa Hausmann (* 1942) hat sich als Künstlerin mit Literatur mehrfach auseinandergesetzt. In mehreren Zyklen hat sie Radierungen von Schriftstellern geschaffen. Der hier abgebildete ist aus dem Zyklus „Ihre Bilder wurden verbrannt“.
Dr. Lucie Schauer schreibt darüber: „Hellsichtigkeit und Transparenz des Geschehens werden auf den graphischen Arbeiten durch die Kunst des Radierens erreicht. Ein Gesicht scheint sich aufzulösen im weichen Schatten der Wangen und zu härten im wissenden Blick der Augen. Gisa Hausmann betont das Malerische vor der Linie, die Vielseitigkeit und Hintergründigkeit vor der eindeutigen Aussage. Haardünner Strich und schartige Kerbe kreuz und quer, hier sanft, dort wild zerhackend, geätzte Flächen in feinsten Nuancierungen dringen wissend in das Wesen des Vorgangs ein. Es vollzieht sich eine Art von Transsubstantiation, eine Verdinglichung der geistigen Aura, bevor die physische Existenz dem Untergang anheim fällt. Was bleibt und überlebt ist der Geist.“(Der gesamte Text steht hier…
(Auf ihrer Homepage bietet Gisa Hausmann ihre Radierungen auch als Drucke an.)