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1924 2012 Brief

Max Herrmann-Neiße lernt Mehring auswendig

An Friedrich Grieger
Berlin, 18. Juni 1924

Mein lieber Fritz,
hab‘ vielen Dank für Dein Gedenken aus Freiwaldau – ach, wie verfluchte ich es, daß ich nicht mit dabei war! (…)  Mein Gedichtbuch soll demnächst erscheinen zu 20, 15 und 10 M. Glaubst Du, daß unter diesen Bedingungen noch welche von Deinen Bestellern ihre Subskription aufrecht erhalten? Für das Kabarettbuch habe ich immer noch kein Geld! Franz ist seit vorigem Dienstag in London, von wo er mir schon eine Ansichtskarte schickte.

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1924 Kabarett Lieder Lyrik

Blandine Ebinger singt: Die roten Schuhe

„Die roten Schuhe“

 

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1923 1924 1985 Biografisches Kunst

Mehring reagiert auf Eduard Arnhold allergisch

Michael Grüning: Der Wachsmann-ReportIm Buch „Der Wachsmann-Report“ zitiert Michael Grüning den Architekten Konrad Wachsmann. In der unten stehenden Szene geht es um den Besuch einer Kunstausstellung von Konrad Wachsmann und Walter Mehring, bei der sie dem Berliner Unternehmer und Kunstsammler Eduard Arnhold (1849 – 1925) begegneten. Die Begegnung wird vor 1924 oder früher stattgefunden haben, da Mehring im Jahr 1924 nach Paris zog. Wachsmanns Erinnerung öffnet einen schönen Blick auf Mehrings politische Haltung, die auch die Kunst mit einschloss.

Walter Mehring und ich besuchten eine Vernissage, auf der auch einige Kokoschkas gezeigt wurden, die für eine hitzige Diskussion sorgten. Plötzlich gesellte sich in unsere recht kontroverse Gesprächsrunde ein älterer, sehr sorgfältig gekleideter Herr, der sich ganz überraschend in das Pro-Kokoschka-Lager stellte. Dazu muß gesagt werden, daß Kokoschka damals ähnliche Reaktionen provozierte wie heute zum Beispiel Joseph Beuys.

Der alte Herr gefiel mir sofort. Er sprach unkonventionell, sachkundig und bediente sich einer geradezu atypischen Form der Bilddeutung. Zu meiner großen Überraschung kapitulierten vor seinen Argumenten selbst die hartnäckigsten und lautstärksten Kokoschka-Kritiker und zogen sich kleinlaut zurück. So blieben vor den heißdiskutierten Bildern nur Mehring, dieser mir unbekannte Mann und ich zurück. Er lächelte und kommentierte die  Auflösung der streitbaren Runde mit witzigen, geistvollen Bemerkungen. Schließlich unterhielten wir uns über die Berliner Kunstszenerie. Nur Mehring schwieg, ein böses Schweigen. Dazu hatte er wie ein Bajonett sein eigenartiges Lächeln aufgepflanzt, das ich als Ouvertüre zu Bissigkeiten kannte, die von unglaublicher Schärfe und meist auch  verletzendem Zynismus waren. Gerade überlegte ich noch, an welchen Pfeilen Mehring wohl spitzt, als der alte Herr uns ahnungslos zur Besichtigung seiner eigenen Sammlung aufforderte. Aber Mehring schüttelte den Kopf. Wir bedauern außerordentlich, Herr Kommerzienrat, aber Sie wissen ja: Zeit ist Geld! Sprach’s, faßte meinen Arm und zog mich fort.

Was hast du gegen diesen Menschen? fragte ich ziemlich wütend. Viel, zischte Mehring und steuerte dem Ausgang zu. Er ist Eduard Arnhold, ein Freund des Kaisers. Hinter Kunstgesäusel und Mäzenatentum versteckt der Herr Kommerzienrat seine zutiefst konservative, kaisertreue und republikfeindliche Gesinnung. Mich jedenfalls fängt er mit seinen Bildern nicht!

Natürlich wußte ich, wer Eduard Arnhold war, nur gesehen hatte ich ihn noch nicht. Schon vor dem Krieg wurde er im Jahrbuch der Millionäre an herausragender Stelle erwähnt. Aber seinen Reichtum hatte er nicht ererbt, sondern im Boom der Gründerjahre mit unglaublicher Energie und Kraft erarbeitet. Dabei war Arnhold keineswegs nur ein schnöder Profitjäger. Die in seinen Unternehmen alltäglichen Sozialmaßnahmen galten vor und nach der Einführung entsprechender Gesetze in ganz Europa als beispielhaft.

Ausgesprochen unrühmlich waren jedoch seine politischen Ambitionen. Arnhold engagierte sich für die Großmacht- und Kanonenbootpolitik Wilhelms II. und gehörte sogar zu den engen Ratgebern des Kaisers, ohne jedoch ein Opportunist zu sein. Im Gegenteil. Mehring berichtete mit zornigem Vergnügen, daß es zwischen Arnhold und seinem Kaiserfreund sogar erhebliche Kontroversen gab, die oft Stoff für den „Ulk“ geliefert hatten.

Der Grund für die Reibereien zwischen dem blasierten Chef des Hohenzollernhauses und dem klugen, feinsinnigen Millionär war das desolate Kunstverständnis des Monarchen. Arnhold, den der Kaiser wegen seines außergewöhnlichen Kunstverstandes in die Ankaufskommission der Nationalgalerie berufen hatte, pflegte stets außer Fassung zu geraten, wenn sich Seine allergnädigste Majestät über Kunst und Künstler äußerten.

Eine der lustigen und zugleich demaskierenden Geschichten über das Kunstverständnis Wilhehns II. erzählte mir Hans Poelzig: Der alte Arnhold hatte sich für den Ankauf von vier französischen Impressionisten engagiert, die zu günstigen Bedingungen angeboten worden waren. Allerdings fehlten für den Kauf noch zweihunderttausend Mark, die er aus der Privatschatulle des Kaisers zu bekommen hoffte. Aber Wilhelm II. zeigte sich gleichermaßen empört wie knauserig, als er Arnholds Bittgesuch zu sehen bekam. Wo kommen wir da hin, schrieb er an den Rand des Arnholdschen Briefes, mit gleichem Recht wird Herr von Tschudi künftig Geld zum Kauf eines französischen Rennpferdes verlangen! Europa lachte, nur Arnhold nicht. Der trieb stillschweigend das Geld für die Bilder auf, die dann zur Ehrenrettung der Deutschen doch noch in den Bestand der Nationalgalerie kamen.

Für Mehring – und damals auch für mich – hatten die Kunstambitionen Eduard Arnholds lediglich eine Alibifunktion. Vielleicht irrten wir uns. Nur hatte sich Arnhold sehr fragwürdig benommen: Noch am Vorabend der Abdankung des Kaisers versicherte er dem sich schon mit Fluchtgedanken tragenden Wilhelm, daß er ihm jederzeit zur Seite stehe,
persönlich und mit seinem Vermögen. Wie eine Ironie des Schicksals muß es Arnhold getroffen haben, als ihn Brockdorff-Rantzau nach der Demissionierung des Kaisers in die
Gruppe der Versailler Friedensemissäre verpflichtete. Bei diesen Verhandlungen verlor der Berliner Millionär nämlich einige in den Ostprovinzen angelegte Millionen. Aber vielleicht hatte der Mann auch Charakter und konnte die Zeichen der neuen Zeit nicht verstehen. Sicher hätte man ihn näher kennen müssen, um seine Haltung zu begreifen. Leider habe ich jede Einladung Poelzigs abgelehnt, ihn in Arnholds Haus zu begleiten. Später, als ich Max Liebermann wiederholt in Verzückung geraten sah, wenn über Arnholds private Sammlung gesprochen wurde, kam meine Neugier auf diesen Mann zu spät. Was aus seiner berühmten Sammlung geworden ist, zu der neben Werken von Renoir, Cézanne, Degas, Manet und einigen Liebermann-Bildern auch Gemälde von Leibl, Böcklin, Lenbach, Menzel und Feuerbach gehörten, weiß ich leider nicht.

(Grüning, Michael: Der Wachsmann-Report – Auskünfte eines Architekten; Berlin (Ost): Verlag der Nation 1985, S. 236 ff.)

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1924 Lyrik Übersetzungen

Mehrings Übersetzung französischer Revolutionslieder im Malik-Verlag

Französische Revolutionslieder, Band 1 der Malik-Bücherei
Französische Revolutionslieder, Band 1 der Malik-Bücherei

Walter Mehring war nicht nur Dramatiker, Romancier, Lyriker und Journalist. Er hat auch immer wieder übersetzt. Dabei scheute er auch Namen wie Balzac oder Shakespeare nicht. Sein außergewöhnliches Sprachempfinden, sein enormer Wortschaftz und die Fähigkeit selbst die schwierigsten Stoffe in Rhythmen zum Schwingen zu bringen, ermöglichten ihm bemerkenswerte Übersetzungen.

Ein kleiner Band von 1924 mit nicht einmal 65 Seiten ist eines der so entstandenen Bücher. „Französische Revolutionslieder“ ist Band 1 der Malik-Bücherei des gleichnamigen Verlages von Wieland Herzfelde, dem Bruder John Heartfields. Die alten DADA-Kontakte führten wohl zu diesem Auftrag, dem Mehring gern nachkam. Jean Pottier und L.B. Clément heißen die Autoren der Chansons aus der Zeit der Pariser Kommune, denen Mehring seine Sprachgewalt borgte. Dabei erhielt er das Versmaß vollständig.

Diese Übersetzung ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen bezieht sich Walter Mehring im Vorwort explizit auf seinen Vater Sigmar Mehring. Ja er übernimmt sogar vier Übersetzungen von ihm. Meines Wissens nach ist dies das einzige Mal, dass er sich so offensiv zu seinem Vater bekennt – außer in der „Verlorenen Bibliothek“. Zum anderen ordnet sich Mehring mit der Publikation und der Übersetzung der frühkommunistischen Chansons in die Tradition des Kommunismus ein. „Pottier wollte in Dichtung und Tat nur eins: Propaganda der kommunistischen Freiheitsidee!“ schreibt er im Vorwort (S. 8). Und übernimmt damit diese Position.

Später wird er sich immer wieder stark von den Kommunisten distanzieren. Aber 1924, dem Jahr des Erscheinens, war in Deutschland noch nicht ausgemacht, ob die KP eine Freiheitspartei werden könnte oder eine, die Freiheit mit Füßen tritt. Der kraftvollen Übersetzung tut das keinen Abbruch.

Andreas Oppermann

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1924 Zeitschriften

Eine Anzeige mit einem Brief an Mehring

Zeitungsausschnitt mit einer Anzeige für Walter Mehrings "In Menschenhaut - aus Menschenhaut . um Menschenhaut herum
Zeitungsausschnitt mit einer Anzeige für Walter Mehrings "In Menschenhaut - aus Menschenhaut . um Menschenhaut herum